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Letzte Fischer

Titel: Letzte Fischer
Autoren: Volker Harry Altwasser
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Funke.
    »Auswurfposition in zwei Minuten erreicht«, kam es vom Steuerhaus: »Bereithalten zum Auswurf.«
    »Deckbesatzung bereit!«
    »Trawlbrücke bereit!«
    »Achtung, Trawlbrücke! Tiefe dreihundertacht Meter, vierundsiebzig Zentimeter!«
    »Trawlbrücke verstanden! Tiefe drei null acht Strich sieben vier.«
    »Achtung an alle! Auswurfposition in einer Minute erreicht!«
    Während Rösch zum Niedergang ging, um dem Hilfssmutje das Tablett mit den Tassen abzunehmen und sie zu verteilen, zählte der Kommandant mit ruhiger Stimme: »Dreißig Sekunden. Zwanzig Sekunden. Zehn Sekunden. Fünf. Vier. Drei. Zwei. Eins. WURF!«
    Der Windenfahrer riss die Sperre mit dem linken Zeigefinger los, die Deckarbeiter zogen über Winden das Netz ins Wasser, die Kurrleinen strafften sich, die Schlaufen wurden rasend abgerollt, die Winden quietschten, und der Windenfahrer behielt auf der Trawlbrücke die Anzeige der Abwärtsbewegung im Blick, zweihundert Meter, zweihundertfünfzig Meter, doch Robert Rösch ließ leichenblass die Kaffeepötte fallen.
    »HALT!«, schrie der Bootsmann und schlug mit der Faust auf den großen roten Notknopf.
    »Was?«, schrie der Windenfahrer und sah auf.
    »AUF! Du Arschloch!«, schrie der Bootsmann, während es Robert Rösch schlecht wurde. Er ging auf die Knie und würgte.
    Die Kurrleinen des leeren Netzes wurden erneut auf die Winden gerollt, schnell kamen die Scheerbretter des Vornetzes auf, das Vornetz selbst.
    »Oh Gott!«, stöhnte der Windenfahrer: »Das habe ich nicht gesehen!«
    Robert Rösch übergab sich laut röchelnd.
    »Bring ihn aufs Deck«, flüsterte der Bootsmann, und der Windenfahrer ließ das Vornetz hinunter, in dem sich langer Finger mit einem Fuß verfangen hatte.
    »Abbrechen des Fanges! Schiffsarzt sofort aufs Fangdeck«, befahl der Kommandant durch die Lautsprecher: »Schiffsarzt aufs Fangdeck!«
    »Ich hab ihn nicht gesehen? Wo stand er denn?«
    »Wie auch, bei der miesen Deckbeleuchtung immer!«, sagte der Bootsmann, ehe er sich umdrehte, zu Robert sah, der immer noch bleich war, und ihm befahl, die Sauerei wegzumachen.
    Eine Sauerei, an die Rösch auch jetzt beim Schlürfen des Eintopfs wieder denken musste. Er schloss kurz die Augen und trank einen großen Schluck Wasser, als die Stimme des Kommandanten durch die Lautsprecher drang: »Achtung, hier spricht der Kapitän! Back- und Steuerbordwache zur Beerdigungszeremonie aufgestanden! Klar zur Trauer!«
    In allen Kammern und Decks erhoben sich die Männer der Besatzung des Fang -und Verarbeitungsschiffes Saudade , nahmen die Kopfbedeckungen ab und legten sich die Hände auf die eigenen Schultern.
    Vor Robert Rösch stand das Bild des aufgerissenen Mundes und der herausgetretenen Augen. Er sah langer Fingers leblosen Leib im Netz baumeln, die Beine verdreht, ein Arm abgerissen. Langer Finger , der nun unten war, unten bei seinen Göttern!
    »Besatzung des Hochseefischereitrawlers Saudade , habt Acht! Gestern Nacht, zwei Uhr siebzehn Bordzeit, haben wir unseren Kollegen Matthi Haukermäki, Bordname langer Finger , auf tragische Art und Weise verloren. Matthi Haukermäki war bei allen an Bord beliebt, und er wird uns allen unsterblich bleiben! Er war ein so guter Mann, dass die See nicht anders konnte, als ihn zu sich in die Tiefe zu holen. Er soll uns aber auch Mahnung sein, dass wir, dass die Hochseefischer den gefährlichsten Job der Welt machen! Seid also immer auf der Hut! Männer der Saudade , steht aufrecht, steht still, ehrt Matthi Haukermäki mit einem tiefen Schweigen. Männer der Saudade ! Betet und bittet um Frieden für die Seele eures geliebten Kameraden! Denn die See ist die Seele und die Seele ist die See!«
    »Denn die See ist die Seele und die Seele ist die See«, sprachen die Fischer und Verarbeiter nach, ehe sie für eine Minute schwiegen, um danach zu beten.
    »Männer!«, sagte der Kommandant: »Abschließend mahne ich euch noch einmal! Unser Job ist so gefährlich, dass jährlich von zehn Hochseefischern vier sterben, weltweit. Haltet stets die Augen offen! Nachlässigkeit ist euer Todfeind! Physische Schwäche, Übermüdung, Unterschätzung, Überheblichkeit und Alkohol, das sind die Waffen, mit denen euer Todfeind umzugehen weiß! Wehrt euch in jeder Sekunden eures Lebens, wenn euch euer Leben lieb ist! Ende der Trauer! Wachtmeister, Einlagerung der Leiche in die Delikatessenlast. Funker, verständigen Sie die Reederei. Fordern Sie einen Deckarbeiter an. Deckbesatzung, klar zum Auswurf in zehn
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