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Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi

Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi

Titel: Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi
Autoren: Tom Hillenbrand
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angeordneten Monitore ein.
    Scholz würde vom Firmensitz etwa zwanzig Minuten hierher brauchen. Das Hauptquartier des Unternehmens befand sich in Weggis, einer Gemeinde unten am See. Dort hatte der Konzern zwei große Villen und ein altes Kurhotel gekauft und die nebeneinanderliegenden Gebäude zu einem kleinen Campus für die rund hundertfünfzig Mitarbeiter umfunktioniert. Es gab nirgendwo ein Firmenschild, doch die Menschen in Weggis wussten, dass in ihrem Ort einer der mächtigsten Konzerne Europas ansässig war. Die Firma spülte trotz des sensationell niedrigen Gewerbesteuersatzes immense Summen in die Dorfschatulle. Dazu kam das, was Malherbe an Vermögenssteuer zahlte. Allein von diesem Betrag hätte Weggis die Seepromenade renovieren können – jedes Jahr.
    Der Vorstandschef schaute auf die vier Monitore. Der Kämmerer von Weggis würde auch in diesem Jahr Grund zur Freude haben, die Aktionäre sowieso. Auf dem rechten oberen Bildschirm sah Malherbe das Saldo aller Börsengeschäfte, die seine Leute heute rund um den Globus getätigt hatten. Er wollte am Ende des Tages stets auf den Rappen genau wissen, wie viel sie verdient hatten. Insgesamt lagen sie im aktuellen Quartal mit nunmehr 6,4 Milliarden Franken im Plus. Malherbe überprüfte die Nachrichtenlage sowie die wichtigsten Indizes jener elektronischen Börsenplattformen in London und Chicago, die auch jetzt noch handelten. Er wollte sich gerade seinen E-Mails zuwenden, als der Pförtner Scholz’ Ankunft meldete.
    Malherbe stand auf, ging von seinem Schreibtisch zu einer Sitzgruppe am anderen Ende des loftartigen Arbeitszimmers und ließ sich dort in einen Sessel fallen. Eine Minute später trat Scholz durch die Tür. Er trug wie immer ein weißes Hemd mit Krawatte und darüber einen schwarzen Lederblouson, dessen Ärmel er hochgekrempelt hatte. Scholz’ blondes Haar war raspelkurz geschnitten, der untere Teil seines kantigen Gesichts wurde von einem rötlichen Fünf-Tage-Bart verdeckt. Für den Manager eines Schweizer Finanzkonzerns war das ein eher ungewöhnliches Outfit. Einer von Malherbes Verwaltungsräten, der Scholz in herzlicher Abneigung verbunden war, hatte einst gegiftet, der Sicherheitsberater habe sich diesen Stil wohl von seinem ehemaligen Arbeitgeber abgeguckt.
    Das klang wie üble Nachrede, aber Malherbe hatte erstaunt feststellen müssen, dass der Verwaltungsrat recht hatte. Es gab da dieses Foto. Darauf stand Scholz neben Udai Hussein, dem Sohn des ehemaligen irakischen Diktators: beide mit Lederjacke und Krawatte, beide mit hochgekrempelten Ärmeln und Stoppelbart, Arm in Arm, lachend. Udai war eine der widerwärtigsten Gestalten des irakischen Regimes gewesen, ein psychopathischer Sadist. Und der Deutsche hatte als sein persönlicher Sicherheitsberater fungiert. Dank des umfangreichen Hintergrundchecks, den er vor Scholz’ Einstellung hatte durchführen lassen, wusste Malherbe, dass der Dresdner nach dem abrupten Ende seiner NVA-Karriere mit einer Menge Leute gearbeitet hatte, die nicht gerade als große Menschenfreunde bekannt waren. Scholz hatte Syriens Präsident Assad bei der Reform der Geheimpolizei beraten und angeblich sogar die Nordkoreaner. Letzteres war nur ein Gerücht, wenn auch ein durch zahlreiche Indizien unterfüttertes. Man munkelte, Scholz habe für Kim Jong Il mehrere Spezialprojekte abgewickelt. Er hatte seine Spuren perfekt verwischt, was in Malherbes Augen ein weiterer Beweis für die herausragende Kompetenz seines Sicherheitschefs war. Manche im Konzern hielten Scholz’ frühere Nähe zu diversen Diktatoren für ein Zeichen moralischer Verfaultheit. Malherbe hingegen sah diese Engagements eher als Belege dafür, dass Oberstleutnant a. D. Klaus Scholz eine echte Spitzenkraft war. Staatschefs totalitärer Regime besaßen enorm tiefe Taschen und konnten sich als Sicherheitsberater die Besten der Besten leisten – und sie hatten sich alle für Scholz entschieden. Als Malherbe zu Ohren kam, dass der Mann zu haben war, hatte er keine Sekunde gezögert.
    Scholz nickte ihm zu und setzte sich wortlos in den Ledersessel, der dem Malherbes gegenüber stand.
    »Kaffee?«
    »Ja, danke.«
    Malherbe gab dem Butler, der diskret hinter einer Ecke auf Befehle wartete, ein Zeichen. »Geben Sie mir ein Update. Was ist passiert?«
    Scholz lehnte sich zurück und strich sich mit der Rechten über das stoppelige Kinn. »Wir haben den Verlauf rekonstruiert. Kats ist vor vier Tagen gegangen. Sein letzter Log-in war nachmittags,
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