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Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi

Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi

Titel: Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi
Autoren: Tom Hillenbrand
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legendären Pariser Gastronomieführers Guide Gabin. Sie aß wöchentlich in Sternerestaurants auf der ganzen Welt, und die Vorstellung, dass La Gabin in einem Zelt Reibekuchen von einem Pappteller aß, war auf jeden Fall ungewöhnlich.
    Kieffer freute sich auf das Treffen mit ihr, denn er hatte sie seit über vier Wochen nicht gesehen. Valérie war auf einer kulinarischen Tour durch Asien gewesen, danach in Russland. Er hatte schon befürchtet, sie würde ihr Treffen in Luxemburg absagen, doch bisher sah es so aus, als komme sie. Bereits in drei Stunden würde die Maschine aus Moskau auf dem Flughafen von Findel landen.
    Kieffer lächelte. »Ich finde, unsere Gromperekichelchen hätten durchaus einen Stern verdient.«

3
    Es gab ein lautes Zischen, als Kieffer die Wäinzoossiss und die Merguez wendete und das Fett in die Glut tropfte. Als er sämtliche Würstchen umgedreht hatte, schaute er zu seinen Gästen hinüber. Am Gartentisch hinter seinem Haus saßen Pekka Vatanen, Valérie sowie eine weitere Frau in der Abendsonne. Der schlaksige Finne gestikulierte lebhaft und schien sich sehr für das T-Shirt der Pariserin zu interessieren. Das beunruhigte Kieffer nicht sonderlich; Pekkas neuer Flamme hingegen stand die Eifersucht ins Gesicht geschrieben. Es war ihm ein Rätsel, wo sein bester Freund immer all diese hinreißenden Geschöpfe auftrieb. Gab es in der EU-Verwaltung oben auf dem Kirchberg derart viele einsame Herzen? Es schien so, denn alle vier bis sechs Monate wechselte die Begleitung des Finnen. Es handelte sich stets um den südländischen Typ, dem Vatanen nach eigenen Angaben »völlig verfallen« war: markante Nase, olivfarbene Haut, kurvige Figur. Diese Attribute galten als gesetzt, der Abteilungsleiter für agronomische Analysen ließ lediglich bei der Nationalität seiner Gespielinnen Variationen zu. Seine aktuelle Freundin hieß Maria und war Spanierin. Davor hatte es sich um eine Korsin gehandelt, wenn sich Kieffer richtig erinnerte. Es war schwer, den Überblick zu behalten. Kieffer überprüfte die Glut. Die Sache mit den Frauen irritierte ihn. Es war nicht Neid, der ihn den Kopf über Vatanens Eskapaden schütteln ließ – er war noch immer in Valérie verliebt und außerdem überzeugter Monogamist. Was ihn verwunderte, war schlichtweg, wie der Mann das anstellte. Vatanens enormer Schlag beim anderen Geschlecht wäre erklärbar gewesen, hätte der Finne über Geld, Berühmtheit oder ein sportliches Äußeres verfügt. Aber Pekka war – und Kieffer betrachtete ihn aufgrund ihrer langjährigen Freundschaft sehr wohlwollend – ein versoffener fünfundvierzigjähriger EU-Beamter, spindeldürr und mit bereits sehr lichtem blonden Haar. Seine Haut war fahl, »gesunde Bürobräune«, wie er selbst zu sagen pflegte. Einzig die Nase hatte etwas Farbe, vor allem dann, wenn der Finne wieder einmal dem Riesling zusprach. Die Spanierin sagte etwas zu Vatanen, stand dann auf und zog ihren knapp bemessenen Rock zurecht. Dann stöckelte sie durch die Küchentür ins Haus.
    Kieffer fluchte. Fast wären ihm die Bratwürste angebrannt. Rasch transferierte er Wäinzoossiss und Lammwürste auf eine bereitstehende Platte. Dazu stellte er ein kleines Schüsselchen mit Senfsauce sowie eines mit Harissa, einer scharfen libanesischen Chilipaste. Zum Schluss holte er mit einer Zange noch gegrilltes Gemüse vom Rost und träufelte mit Knoblauch, Thymian und Fenchelsamen aromatisiertes Olivenöl darüber. Dann ging er zu seinen Gästen.
    Maria war gerade dabei, wieder Platz zu nehmen. Kieffer hatte schon befürchtet, sie sei geflohen. Vatanen war immer noch mit Valéries T-Shirt beschäftigt; aus der Nähe konnte Kieffer nun aber erkennen, dass der Finne sich offenbar weniger für dessen Inhalt als vielmehr für den Aufdruck interessierte.
    »Und woher genau stammt diese Comicfigur? Habe ich noch nie gesehen. Ich dachte immer, das Logo des Guide Gabin ist ein goldenes G. Das ist zumindest vorne auf euren blauen Gastroführern aufgedruckt.«
    »Das stimmt auch, Pekka«, antwortete Valérie. »Aber in den Zwanzigerjahren, als mein Großvater Auguste den Gabin gründete, da gab es auch diese Werbefigur: Georges, le p’tit chef.«
    Sie zog mit beiden Händen die Frontpartie ihres T-Shirts glatt, sodass die darauf abgebildete Figur besser zu erkennen war. Es handelte sich um einen kleinen kugelrunden Mann mit Schnauzbart, auf dessen Kopf eine lächerlich große Kochmütze saß; die Toque war fast so hoch wie das Männchen.
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