Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lesereise Südengland - Tea Time vor Land’s End

Lesereise Südengland - Tea Time vor Land’s End

Titel: Lesereise Südengland - Tea Time vor Land’s End
Autoren: Michael Bengel
Vom Netzwerk:
des National Trust nah am Schlick. Im Winter vorher war bei Doyden Point der griechische Frachter »Skopelos Sky« zerschellt und halb gesunken, und unablässig kamen die Touristen an die Tür und fragten nach dem Weg zum Wrack – und wie man denn als Deutscher an ein solch wunderbares Haus gekommen sei!
    Niemand unter ihnen ahnte, dass Portquin daneben ein wirkliches Rätsel umgab, die Frage nach dem Untergang des Ortes, auf die nur wieder die Legende wirklich eine Antwort weiß: Es war ein Sonntag und es war ein Sakrileg, als in ihrer Not die Männer von Portquin zum Fischen fuhren. Viele Wochen waren sie vergebens ausgefahren, die Netze waren alle leer geblieben, als hätte Gott sie prüfen wollen. Doch daran dachte niemand, als sie allesamt in ihrer Not die Sonntagsruhe brachen. Diesmal fingen sie so viel, dass ihre Boote es nicht fassen konnten – und alle gingen mit den schweren Booten unter.
    So oder doch so ähnlich wird es hier erzählt, mal war ein Sturm der Grund und mal der Zoll, doch jedes Mal erzählen die Geschichten das unerklärliche Verschwinden eines blühenden Gemeinwesens. 1841 gab es hier noch dreiundzwanzig Häuser, in denen vierundneunzig Menschen lebten. Das Kirchenregister von St. Endellion nennt für das Ende des Jahrhunderts auch immer wieder Menschen aus Portquin, doch ihr Beruf ist dann als »Arbeiter« verzeichnet – als hätte niemand mit dem Meer zu tun als Fischer oder Seemann. Und in der Tat: Die Cornish and Devon Post vermerkt in ihrer Ausgabe vom 20. Oktober 1877 den größten Sturm »to surpass anything of the kind within living memory of the oldest inhabitant«. Es war ein Sonntag, heißt es weiter, und er hatte friedlich angefangen. Womöglich war es also doch so, wie die Leute es erzählen und wie es ein Gemälde fern in London zeigt: Frank Bramleys »Hopeless Dawn« in der Tate Gallery.
    Port Isaac, unser Ziel am späten Nachmittag, ist ein betriebsamer, munterer Hafen, in dem die bunten Boote, seitlich abgestützt, auf die Flut warten. Und nicht einmal die düstere Geschichte aus dem Alten Testament von Abraham und seinem Sohn legt wirklich ihren Schatten auf die Bucht und die geweißten Häuser, denn der Name von Port Isaac verballhornt unverstanden einen anderen: »Portizick« oder »Issyk«, und das meint »Getreidehafen«. Hier handelt man mit Hummern und Langusten, seitdem die Pilchards ausgeblieben sind, sardinengleiche Fische, deren Schwärme früher einmal Cornwalls Reichtum waren, und schon seit dem Ende des vergangenen Jahrhunderts ist Port Isaac ein Urlaubsort. Seine Schiffsunglücke hat auch dieser Ort erlebt, dazu den Sturm von 1910, als im Golden Lion nah am Hafen die Brecher durch die Fenster schlugen – und zwar durch die im Obergeschoss, wo wir heimlich die verschwitzten Sachen wechseln.
    Nach solchen Wandertagen sind wir abends gerne in St. Kew im alten, weitgerühmten Gasthaus, bekannt für seine Steaks und für sein Real Ale. Hier stehen stets dieselben an der Theke, ein paar der Leute aus dem Dorf, zur Sommerzeit vor allem Urlauber, montags auch die ringers , die Glockenläuter nach dem Training. Wanderer sind nicht darunter, so vielen man unterwegs auch begegnen mag. Unser abendlicher Thekennachbar, den wir »Lobster« nennen, weil wir weiter keinen Namen für ihn haben und weil er jeden Strahl der Sonne auf seiner halben Glatze auch noch abends vorzeigt, erzählt von England und von seiner Arbeit und fragt uns nach der Tour des Tages.
    Und wir erzählen von den Küstenstrichen bei St. Ives, von den malerischen Klippen der Bedruthan Steps am Strand bei Newquay, den pittoresk verfallenen Maschinenhäuschen in den Klippen bei Land’s End, von Fowey und vom Bodmin Moor, von jenem fein zerstäubten Regen, der hier drizzle heißt, wie von Wolkenbrüchen, deren Bäche aus den Brombeerbüschen schießen, abwärts auf dem Weg, zuletzt vom Muskelkater und den roten Striemen, die der gorse gerissen hat, der kurze, harte Stechginster.
    Tintagel, hofft er, kriegt er auch noch hin. Im Fernsehen war neulich ein Bericht, King Arthur’s Burg – und was man denn davon zu halten habe. Als wir Tage später nach Tintagel kommen, liegt nasser Nebel auf dem Cliff. Den Ort mit seinen öden Souvenirs von König Artus haben wir schon hinter uns gelassen, jetzt ragen aus dem Gras des Kirchhofs die Grabsteine wie Auferstandene empor in breiter Rüstung, Artusritter allesamt. Doch lange ehe wir die gut geschützte Bucht von Boscastle erreichen, hat schon ein Wind die Nebel
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher