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Lesereise - Schweden

Lesereise - Schweden

Titel: Lesereise - Schweden
Autoren: Rasso Knoller
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Holgersson und die Dame von der Post
Mit dem Fahrrad unterwegs durch Schonen
    Schonen, die südlichste Provinz Schwedens, gehörte lange Zeit zu Dänemark. Und so hat sie zum restlichen Land ein ähnliches Verhältnis wie Bayern zu Deutschland: Man ist irgendwie dabei, aber trotzdem stolz darauf, etwas anderes zu sein.
    Mit der Sprache verhält es sich ähnlich. Die ist zwar Schwedisch, aber wenn ein skåning , wie die Menschen hier heißen, loslegt, ist er für die übrigen Schweden nur schwer zu verstehen. Ein Freund aus Stockholm erzählte mir, dass er bei seinem letzten Geschäftsbesuch in Malmö mit dem Taxifahrer Englisch sprechen musste, weil er aus dessen Dialekt einfach nicht schlau wurde.
    Mit dieser Erfahrung steht er nicht allein. Auch deswegen lacht man in Schweden über die Leute aus dem Süden des Landes, wenn die Rede auf die geplante Pflichtsprachprüfung für Einwanderer kommt. Nur wer die besteht, soll den schwedischen Pass bekommen und im Land bleiben dürfen. Weswegen ganz Schweden gerne spottet: Käme der Gesetzesvorschlag durch, müssten alle Menschen aus Schonen Schweden verlassen.
    Das erzählt mir ein Tourist aus Göteborg, den ich beim Fahrradverleih in Ystad treffe. Er möchte wie ich einige Tage mit dem Rad durch Schonen strampeln. Auf den Spuren seiner Frau, wie er sagt, die hier aus der Gegend stamme. Jetzt wird mir klar, woher seine Kenntnisse über den hiesigen Dialekt stammen. Später treffe ich ihn wieder, am Schloss Svaneholm, diesmal zusammen mit der Gemahlin. »Das ist der Herr aus Deutschland, der Schwedisch spricht, ich hab dir doch von ihm erzählt«, stellt er mich vor. Ich begrüße die ältere Dame, die mich nun mit vielen Worten überschüttet. Freundliche Worte, vermute ich – ich entnehme es ihrem Lächeln. Verstanden habe ich sie nicht.
    Mit beiden nehme ich an einer Führung durch Schloss Svaneholm teil. Hier hat im 18. Jahrhundert der große Bodenreformer Rutger Macklean gelebt. Viel wichtiger für Schweden und die Kinder in aller Welt ist aber eine ganz andere Person aus Schonen: Nils Holgersson ist ganz in der Nähe zur Welt gekommen. Der winzige Jüngling ist 1906 der Feder von Selma Lagerlöf entsprungen und hat sich dann auf dem Rücken von fliegenden Gänsen auf den Weg vom Süden in den Norden des Landes gemacht. Ursprünglich als Schulbuch konzipiert, wurde Nils Holgerssons wunderbare Reise zu einem der erfolgreichsten Kinderbücher aller Zeiten.
    Im Land von Nils Holgersson lässt es sich ideal radeln. Auf den Nebenstraßen Schonens begegnet man nur selten Autos, und Hügel oder gar Berge gibt es so gut wie keine. Flach ist der Weg deswegen aber noch lange nicht. Außerdem macht mir der Gegenwind zu schaffen. Da mein Fahrrad keine Gangschaltung hat, komme ich schneller ins Schwitzen als mir lieb ist. Ich beginne, den kleinen Nils um seine Transportmöglichkeit zu beneiden. Von oben hat er die Landschaft vermutlich sogar noch besser genießen können: die weiten Kornfelder, die roten Holzhäuschen, umgeben von Gärten, sowie die Wälder und Wiesen, auf denen hier vor allem Pferde weiden. Pferde gibt es hier zuhauf, jeder zweite Bauernhof bietet Reiterferien an.
    Die Blumen am Wegesrand, klein und schüchtern die blassblauen, vorwitzig und frech die gelben, sehe ich aber von hier unten besser. Und auch den Menschen kommt leichter näher, wer mit dem Erdboden verhaftet bleibt. Menschen wie der älteren Dame von der Schwedischen Post, die in ihrem knallgelben Kastenwagen französischer Bauart die Briefe ausfährt.
    Ich treffe Lena Anderson vor dem Haus von Knut Knutsen. Sie ist gerade dabei, ihm ein Päckchen in seinen bunt bemalten Briefkasten zu legen. Schon seit geraumer Zeit habe ich den Verdacht, mich verfahren zu haben, und wer könnte mir besser den Weg weisen als eine Mitarbeiterin der Post? Aber Lena Anderson beruhigt mich schnell: Die Abzweigung, die ich suche, liegt noch vor mir. Schnell kommen wir ins Gespräch. Die Briefe müssen warten und gelangen heute etwas später zu ihren Empfängern. Lena Anderson erzählt mir, dass ihr Bruder im Nachbardorf wohnt und die Renovierung der Dorfkirche ansteht. Und sie schimpft über den neuen Turning Torso, den »dieser Spanier« in Malmö gebaut hat und der ihr nicht besonders gefällt. Als ich erwidere, dass ich das in sich wie eine Spirale verdrehte Hochhaus von Santiago Calatrava ziemlich spektakulär finde, lenkt sie ein und meint versöhnlich: »Na, so schlecht ist es auch wieder nicht.« Doch wenn ich
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