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Lesereise Prag

Lesereise Prag

Titel: Lesereise Prag
Autoren: Klaus Brill
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geworden«.
    Noch so ein Problem. Prag ist eine der meistbesuchten Städte Europas, rund vier Millionen Touristen werden pro Jahr gezählt, durchschnittlich also elftausend am Tag. Wo sie in Massen vorbeiziehen, sind längst die normalen Geschäfte jenen Souvenirläden gewichen, die nur noch böhmisches Kristall, Bierkrüge und T-Shirts mit dem Aufdruck »Praha Drinking Team« verkaufen. Wegen steigender Preise ziehen jährlich Tausende Prager aus dem Zentrum aufs Dorf oder in die Plattenbauten an der Peripherie. Und wer dorthin fährt, zum Beispiel nach Modřany, erkennt schon an den kilometerlang auf Wände und Straßenbahn-Haltestellen aufgesprühten Hässlichkeiten, dass manche junge Männer mit den neuen Verhältnissen offenbar nicht einverstanden sind. Die Polizei scheint hilflos zu sein, sie ist auch viel zu schwach besetzt.
    Schon die Bändigung des Verkehrs überfordert ihre Kräfte, aber das ist in Prag nicht verwunderlich. Zwar nutzen die Prager zu siebenundfünfzig Prozent, also überdurchschnittlich stark, im Alltag die hervorragend funktionierenden Straßen- und U-Bahnen, die auch bei internationalen Vergleichen des öffentlichen Nahverkehrs stets in der Spitzengruppe liegen. Gleichwohl gibt es permanent Staus, in der Stadt sind mehr als achthunderttausend Fahrzeuge gemeldet. Darunter sind sehr viele Altautos, die ebenso wie die zahlreichen Industriebetriebe dazu beitragen, dass Prag so sehr mit Staub und Smog zu kämpfen hat. Viele Menschen plagt zudem der Straßenlärm, vor allem an der Nord-Süd-Magistrale, die nah am Zentrum vorbeiführt, eine Erblast der Kommunisten. Empörte Anwohner haben vor Gericht Maßnahmen zur Lärmeindämmung durchgesetzt.
    Aber echte Abhilfe wird wohl erst geschaffen sein, wenn das fertig ist, was im Büro von Jan Heroudek, dem Leiter der Verkehrsabteilung im Magistrat, als Projektskizze hinter einer großen Zimmerpalme an der Wand hängt. Es ist der große Prager Verkehrsplan, von roten, grünen und schwarzen Linien durchzogen. Straßen, Tram- und U-Bahn-Netze werden zügig ausgebaut, demnächst soll insbesondere der Autobahnring um Prag geschlossen sein, sodass die Prager endlich vom Durchgangsverkehr verschont bleiben. »Das ist natürlich das größte Problem, dass die Infrastruktur mit der ökonomischen Entwicklung nicht Schritt gehalten hat«, sagt Jan Heroudek. Aber wenn der Rückstand aufgeholt ist, dann wird in Prag eine City-Maut eingeführt. Jetzt schon darf man in den Innenstadtbezirken an den meisten Stellen nur noch parken, wenn man eine Anwohnerplakette hat. Es ist sehr ratsam, gerade für Touristen, auf die Parkverbote sorgsam zu achten, denn die Polizei ist rasch dabei, ein verkehrswidrig abgestelltes Fahrzeug abzuschleppen.
    Sollte Prag, was heute schwer vorstellbar ist, am Ende noch eine ruhige Stadt mit frischer Luft sein? »Es kann, es muss und es wird«, sagte der Oberbürgermeister Pavel Bém im Interview, »natürlich auf dem Level, das einer Millionenstadt entspricht. Wir nehmen einen großen Teil des Autoverkehrs aus der Stadt heraus.« Auch der Flughafen wird ausgebaut. Das alles ist Gegenstand heftiger Debatten, aber jedenfalls können sich die Prager darüber in einem eigenen Infozentrum des Magistratsgebäudes informieren. Auf einer Batterie von Bildschirmen gleiten Züge und Autos der Zukunft über neue Brücken und durch neue Tunnel in eine schöne neue Welt, die das alte Prag umschließen soll.
    Aber die Stadt hat noch andere Projekte auf der Liste der Neuerungen. Der Wenzelsplatz, von bierseligen Briten und afrikanischen Drogendealern behelligt, wird neu gestaltet, desgleichen das Nationaltheater, das Nationalmuseum und der Altstädter Ring. Auch Kaiser Karl IV., der einst das Heilige Römische Reich von Prag aus regierte und der Stadt zu ihrem goldenen Glanz verhalf, wird immer wieder in der Gegenwart gebraucht. Schon zwei Wochen nach dem Festchen in der Neustadt, am 7. April 2008, beging man den sechshundertsechzigsten Jahrestag der Gründung der Karlsuniversität.

Rendezvous unterm Schweif
Der Wenzelsplatz als wichtiger Erinnerungsort soll wieder Stil und Würde erhalten
    Man merkt bald, dass etwas nicht in Ordnung ist mit diesem Platz, und spätestens, als der dunkelhäutige junge Mann mit dem glasigen Blick im Entgegenkommen hastig etwas von Haschisch durch die Zähne stößt, ist die Sache klar. Es stimmt, was in den Prager Zeitungen steht: dass dieser Platz trotz all seines Ruhms in der Welt und all seiner historischen Bedeutung
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