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Lesereise Mallorca

Lesereise Mallorca

Titel: Lesereise Mallorca
Autoren: Helge Sobik
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unterscheiden können, aber einen halben Urlaubstag lang maritime Atmosphäre aufsaugen und ein paar tolle Boote fotografieren möchten. Sie hoffen darauf, wenigstens ganz kurz auf irgendeinem Deck Antonio Banderas und Melanie Griffith zu entdecken, Michael Douglas und Catherine Zeta-Jones zu erspähen, Boris Becker oder Claudia Schiffer beim Small Talk zu bestaunen oder auf der Landseite ein paar Fernsehansagerinnen und Musiksternchen auf dem Laufsteg der Eitelkeiten zu entdecken.
    Deswegen ist Puerto Portals auch erste Adresse für Paparazzi. »Die wussten meistens mehr als ich«, gibt Eraso zu. »Die konnten sagen, wer an Bord war, wem ein Boot wirklich gehörte, das bei uns bloß auf einen Firmennamen eingetragen war. Sie fotografierten Leute, die ich nicht erkannt hätte.«
    Einen übersehen sie trotzdem häufig: den älteren Herrn mit Polohemd und Schirmmütze, der regelmäßig im Flanigan gleich gegenüber vom Tristan im Freien frühstückt, ehe er segeln geht. Erst beim genaueren Hinschauen fällt er auf – und nur deshalb, weil die Männer an den Nachbartischen ein bisschen stämmiger als üblich und mit ihren dunklen Sakkos irgendwie overdressed sind. Und weil sie sehr coole Sonnenbrillen tragen. Und kleine Stöpsel im Ohr. Und weil sie ab und zu in ihre Uhr sprechen oder etwas in den eigenen Sakkokragen flüstern.
    Attila Dénes grüßt ihn jeden Morgen auf dem Weg zur Arbeit – und der ältere Herr grüßt zurück. Mal winkt er fröhlich, mal nickt er bloß mit dem Kopf. König Juan Carlos ist Stammgast in Puerto Portals und stets umgeben von Bodyguards. Er gibt sich ganz ungezwungen – und zählt zu den Frühaufstehern. Wenn die meisten Flaneure kommen, wenn die übernächtigten Paparazzi endlich aus dem Bett steigen, ist er längst wieder auf dem Wasser unterwegs.
    Dénes unterdessen macht dann seine Geschäfte. Etwa als er eine maßgefertigte Siebenundzwanzig-Meter-Jacht mit edelstem Fendi-Interieur verkaufte. Im Sommer desselben Jahres saß der deutsche Eigner bereits wieder im Büro von Dénes in Puerto Portals – und hat vor lauter Begeisterung das nächste Sanlorenzo-Schiff bestellt. Wieder alles maßgefertigt, mit edelstem Interieur, ergänzt um eigene Designideen – nur zehn Meter länger als der Vorgänger. Weil irgendwie Platz fehlte. Das gerade mal ein halbes Jahr alte Siebenundzwanzig-Meter-Prachtstück nahm Dénes in Zahlung und verkaufte es gebraucht – Kostenpunkt irgendetwas zwischen sechs und sieben Millionen Euro. Solche Geschäfte sind normal in Puerto Portals. Gleich gegenüber im Verkaufsbüro des traditionsreichen italienischen Jachtenbauers Riva hat Cristina Bianchetti ähnliche Erfahrungen gemacht: »Es gibt tatsächlich Leute, die hereinspaziert kommen und fast im Vorbeigehen ein Boot für eine Million kaufen.« Manche unterschreiben sofort, andere versuchen auf fünfzig Cent genau zu feilschen. Die Letzteren sind die Ausnahme.
    Bei Dénes war neulich ein Ire, der sich in eine gebrauchte Jacht unten am Kai verliebt hatte, die für einen siebenstelligen Betrag zum Verkauf stand, sie spontan besichtigte, auf eine Probefahrt jovial verzichtete und, zurück im Verkaufsbüro, gleich Nägel mit Köpfen machen wollte. Die beiden besiegelten die Kaufoption per Handschlag. Der Ire wollte ganz sicher gehen und unbedingt eine Anzahlung leisten: alles Bargeld, das er bei sich hatte. Er fand ein Zehn-Cent-Stück in der Hosentasche. Das genügte. Den Rest hat er am folgenden Tag überwiesen. Demnächst werden die beiden mal essen gehen – im Frühling, wenn noch nicht so viele Schaulustige da sind. Es soll ins Tristan gehen und Seeteufel in Salzkruste geben.

Die Schirmherren von Palma
Mit Unwetter zu guten Geschäften gelangen
    Wo er so plötzlich herkommt? Wo er sich vorher versteckt hat? Und vor allem: Wo er all die vielen zusammengefalteten Miniregenschirme mit einem Mal her hat, die an Schlaufen über seinem rechten Arm baumeln? Urplötzlich poppte der Asiate auf, als hätte es ihn aufs Stichwort exakt zu Beginn des Platzregens vor der Kathedrale von Palma de Mallorca hydraulisch aus dem Boden gehebelt. Fünfzehn Meter weiter stehen noch zwei Afrikaner, ein paar Treppenstufen tiefer, nicht weit vom Parkhaus, mit genau denselben dunklen Karo-Regenschirmen: als hätten sie geahnt, dass es jetzt aus heiterem Himmel losprasseln würde.
    Sie sprechen jeden an, der ihnen halbwegs nahe kommt – meistens auf Deutsch, manchmal auf Englisch, zwei Worte in Endlosschleife: »Schirm? Umbrella?
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