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Lesereise Mallorca

Lesereise Mallorca

Titel: Lesereise Mallorca
Autoren: Helge Sobik
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Büro in einem Turm mit bestem Blick über sein Hoheitsgebiet untergebracht ist – und dessen Papierkorb aus einem umgearbeiteten Mastsegment seines letzten Transatlantik-Segelboots bestand.
    Wie sich der breitschultrige Mann mit dem silbernen Schnurrbart den Erfolg gerade dieses Hafens erklärt? »Es ist wahrscheinlich die Lage abseits der Stadt, weit weg von lauten Hauptverkehrsstraßen und trotzdem in relativer Autobahnnähe. Es ist das Ambiente mit guten Restaurants edlen Boutiquen – und die Tatsache, dass wir keine Busse aufs Gelände lassen.«
    Der gebürtige Galicier mit den goldenen Knöpfen am Sakko verkörpert Understatement nicht erst seit er in die königliche Familie eingeheiratet hat und mit Juan Carlos segeln geht. Eraso hat seit einem Vierteljahrhundert wesentlich Anteil daran, dass sich gerade dieser Hafen zur edelsten Adresse Mallorcas für Bootsbesitzer entwickelt hat.
    Dabei mussten sich die Puerto-Portals-Investoren vor einem Vierteljahrhundert noch Spott gefallen lassen. Zu verwegen, sogar irrational erschien es vielen, ausgerechnet hier in einen Jachthafen zu investieren: zu weit abseits von Palma, wo die Orte klein sind, niemand den Urlaub verbringt, allenfalls ein paar Inselhauptstädter ihre Ferienhäuser haben und das Land billig ist. Das Blatt hat sich seitdem gründlich gewendet.
    Dass unterdessen Jachteigner gezielt nach dem Platz vorm Tristan fragen, kommt heute immer wieder vor. Eraso zuckte dann wortlos mit den Schultern, als wollte er sagen »lasst sie doch alle machen«. Er schaute dann, was er tun konnte. Selber fährt er nie mit dem Boot zum Abendessen, will lieber nicht von Passanten bestaunt werden. Sein eigenes liegt weit abseits. Zehnmal hat er den Atlantik überquert, einmal die Welt auf einem Segelboot umrundet. Den Mann kann so leicht nichts aus der Bahn werfen.
    Die Mieter der Liegeplätze sind Kunden, denen ein Hafenkapitän guten Service bieten möchte – ausdrücklich ohne Verbrüderung, ohne Begrüßungsküsschen und anschließenden Champagnerempfang. Wird er zu Bordpartys eingeladen, geht er nicht hin – außer zum spanischen König. Weil es sich dort so gehört. Ansonsten muss die nötige Distanz gewahrt werden: »Ich betrat während meiner Amtszeit möglichst kein fremdes Schiff«, erklärt Eraso und zieht mit einem Ruck das dunkelblaue Sakko zurecht.
    Das Tristan aber betritt er durchaus. Ganz normal, als zahlender Gast. Aber wer die Leute an den Nachbartischen sind, wer die auf den Jachten direkt davor am Pier, wer überhaupt die Eigner in »seinem« Revier – das ist dem jeweiligen Hafenkapitän von Puerto Portals offiziell unwichtig. Und inoffiziell lässt es ihn tatsächlich ebenfalls kalt. Für ihn sind alle gleich – ob Hollywood-Star oder Öl-Milliardär aus Arabien, ob nordeuropäischer König oder zu Geld gekommener Internet-Start-up-Gründer aus Osteuropa. Ob jemand eine Fußballmannschaft mit UEFA -League-Klasse besitzt und tagtäglich durch internationale Klatschgazetten geistert oder mit einer Fabrik für Dichtungsringe reich geworden ist, hat keinen Einfluss auf seine Gunst – und auf den Liegeplatz.
    Ähnlich bodenständig begegnet Küchenchef Gerhard Schwaiger seiner Klientel. Er hat keine Jacht, geht gerne angeln, fährt in seiner Freizeit auch gern mal in die Berge und liebt es, selber in den beiden Markthallen Palmas einkaufen zu gehen. An neuen Menüs der Jahr für Jahr in weiten Teilen wechselnden Speisekarte experimentiert er zu Hause – und grundsätzlich geht er in seinem Restaurant nicht von Tisch zu Tisch zum Händeschütteln. »Er geht nicht hinaus«, erklärt seine Assistentin, »aber die Gäste sind herzlich eingeladen, ihn in der Küche zu besuchen.« Ob jemand superreich und Schlagzeilenkönig ist oder völlig ohne öffentliche Bekanntheit auskommt, ist im Tristan gleichgültig: »Jeder ist ein Prominenter bei uns. Wir behandeln alle gleich.« Wer mag, kann einen Tristan-Koch mitsamt Kellner-Crew auf seine Jacht bestellen und an Bord das Menü der Wahl zelebrieren und sich den Spaß kräftig etwas kosten lassen. Und wer es anders mag, kann einen fünfstündigen Kochkurs mit Schwaiger auf festem Boden in Räumlichkeiten gleich neben dem Edelrestaurant mitmachen, die gemeinsam gezauberten Köstlichkeiten anschließend verspeisen – und zahlt dafür kaum mehr als für ein Menü im Restaurant.
    Dabei ist Puerto Portals längst auch erste Wahl für Schaulustige, für Flaneure, sogar für Leute, die Steuerbord und Backbord nicht
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