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Lesereise Kulinarium - Italien

Lesereise Kulinarium - Italien

Titel: Lesereise Kulinarium - Italien
Autoren: Dorothea Loecker , Alexander Potyka
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dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts via Heirat den Ferrons zugeschlagen wird. Seit nunmehr fünf Generationen führen sie die riseria , alle arbeiten mit: Vater, Söhne, Enkel, Neffen, Cousins.
    Stolz steht Gabriele vor dem alten Schaufelrad und zeigt auf die Fossa Zenobia. Die Wasserkraft lässt jene Energie entstehen, die den Betrieb der Mühle ermöglicht. Im Inneren des Hauses der Geruch von Mehl, ein feiner weißer Film überzieht Holz und Geräte. Staub zieht durch den Raum. Am Boden lagern Säcke mit Reis, von der Decke hängt ein Sieb. Ein Rattern ist zu hören, mehrere Maschinen laufen, die allesamt der Veredelung des Reises dienen. Und dann ganz hinten der Stolz der Ferrons, die alte Mühle. Kein Museumsstück, sondern eine immer noch funktionstüchtige Anlage. Für Kunsthistoriker ist die Pila Vecia ein Denkmal, das sie streng observieren, für die Besucher eine Einladung, sich einer Zeitreise zu überlassen.
    Besucher können die piloti , wie die Reismüller heißen, bei ihrem Tagwerk beobachten. Es hat sich seit Jahrhunderten kaum verändert. Allein die Arbeitszeiten sind kürzer geworden, die Nachtschichten seltener. Doch sonst? Alles wie ehedem. Nur wer wirklich Gespür und Geschick bewiesen hat, darf hier Dienst tun, nach langer Lehrzeit und unter den strengen Augen der Ferrons. Der Respekt vor der Mühle ist groß, die piloti wissen um die Bedeutung jedes Handgriffs. Am Boden ruhen die Tröge aus Veroneser Marmor. In diesen Mörsern liegt der Reis, der in einem früheren Arbeitsgang von den Spelzen befreit wurde. Neun Stößel, die pestelli , sind in ein Gestell eingepasst und gehen nun in diesem Holzrahmen rhythmisch auf und ab. Die Körner werden auf diese Weise bewegt, reiben aneinander und schleifen sich ab. Eine traditionelle Technik, mit deren Hilfe der Vialone Nano Lavorato ai Pestelli entsteht, ein Mittelding zwischen Vollkornreis und raffiniertem Reis. Etwas grauer als der herkömmliche, dafür reicher an Mineralien, Vitaminen und Proteinen und auch voller, nussiger im Geschmack. Das Vorzeigeprodukt: nur in kleinen Mengen am Markt, zu haben in Delikatessenläden, verwendet in den Küchen der Spitzengastronomie, in den Luxusrestaurants zwischen Treviso, Verona und Mailand.
    Sehr viel verbreiteter jener Vialone Nano, der in mehreren Arbeitsgängen mittels moderner Verfahren geschält und poliert wird, der Großteil davon in der modernen Mühle der Ferrons. Er ist etwas glatter und heller als sein Bruder aus der Pila Vecia. Eine Spezialität auch er, mit industriellen Produkten, die bis hin zur Geschmacklosigkeit raffiniert auf den Markt kommen, nicht zu vergleichen.
    Ein Siegel tragen sie beide, das Emblem des »Consorzio Per La Tutela Del Riso Vialone Nano Veronese«, einer Genossenschaft von etwa dreißig Reisbauern und Müllern, die sich strengen Regeln unterwerfen und dafür die Anerkennung der EU erlangt haben, das begehrte IGP , »Indicazione Geografica Protetta«. Harte Arbeit, bis zu dieser Ehrung aus Brüssel. Man hat sich verpflichtet, den Riso Vialone Nano auf möglichst naturnahe Weise zu kultivieren und zu verarbeiten: keine Pestizide beim Anbau, Einhaltung des Fruchtwechsels, keine chemischen Produkte beim Polieren des Reises. Dass man die Felder mit Quellwasser fluten kann, ist ein Glücksfall. Etwas ängstlich der Blick in die Zukunft. Der Klimawandel beunruhigt, die zunehmende Hitze, das Nachlassen der Regenfälle. Je weiter man Richtung Verona kommt, umso trockener werden die Böden, umso seltener die Quellen.
    Die Qualität sei eben alles, so Gabriele Ferron. In manchen Jahren bezieht er seinen Reis von fünf bis sechs Bauern, in anderen sind es nur zwei. Die sorgfältige Auswahl des Rohreises ist wichtig. Nur so können sich kleinere Mühlen im Schatten der Industrieriesen behaupten. Obwohl die Ferrons selbst keinen Reis anbauen, sind sie laufend mit den Produzenten in Verbindung. Man arbeitet Hand in Hand, berät sich miteinander. Im Frühling werden die Felder gepflügt und planiert und die Dämme kontrolliert und erneuert. Dann wird der Reis ausgesät. Wenig später flutet man die Felder. Eine künstliche Lagune entsteht, aus der nach wenigen Wochen die zartgrünen Pflänzchen herausragen. Zu jenem Zeitpunkt hat man die Karpfen schon ausgesetzt: Sie sollen Schädlinge fressen, den Boden locker halten und ihn düngen. Im September wird das Wasser abgelassen. Nun fängt man die Karpfen – ordentliche Kerle, der Sonntagsbraten.
    Jetzt wird der Reis geerntet,
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