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Lesereise Kanarische Inseln

Lesereise Kanarische Inseln

Titel: Lesereise Kanarische Inseln
Autoren: Claudia Diemar
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errichtet worden, falls der Krieg verloren werden und der »Führer« einen Fluchtort brauchen sollte.
    Die Höhlen an der Küste, in denen angeblich der U-Boot-Stützpunkt angelegt werden sollte, sind längst gesprengt. Das Flugfeld im gerölligen Hinterland des langen Strandes von Cofete wurde den meisten Quellen zufolge erst nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut, bald jedoch schon zugunsten des Flughafens bei der Inselhauptstadt aufgegeben. Und die Villa selbst wurde laut einem Interview, das Gustav Winter einst dem Stern gab, überhaupt erst 1958 errichtet. Heute soll das Anwesen einem spanischen Baukonsortium gehören.
    1962 jedenfalls gehen zweitausenddreihundert Hektar des auf der Halbinsel Jandía gepachteten Landes als »Entschädigung für die Erschließung« in den Besitz der Familie Winter über, die das Terrain später mit dem einsetzenden Tourismusboom auf Fuerteventura höchst lukrativ wieder veräußert haben soll.
    Gustav Winter stirbt 1971 auf Gran Canaria. Zu den Vorgängen rund um die Villa hat er sich nach dem einzigen jemals gegebenen Interview nie wieder geäußert.
    Die Villa Winter ist kein Museum und nicht offiziell für das Publikum geöffnet. Wer aber Rosa und
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Pepe einen Obolus in die Hand drückt und freundlich fragt, ob er sich umsehen dürfe, wird nicht abgewiesen. Im einstigen Salon, einem großzügig dimensionierten Raum mit Kamin, steht ein Feldbett, als wartete es auf einen Gast, der zu beherbergen wäre. Auf einem alten Tisch liegen Kartoffeln und Zwiebeln. Wie eine Kunstinstallation mutet die Ansammlung von quietschrosa Tetrapacktüten mit haltbarer Milch an, die das Interieur vervollständigt. Das Kaminzimmer dient heute als Speisekammer des betagten Geschwisterpaars. In einer Ecke des Raumes sind riesige Batterien eingebaut. Sie tragen die eingestanzte Aufschrift » VEB Grubenlampen und Akkumulatorenwerke Zwickau/ DDR «.
    »Era un pajaro«, sagt Rosa zum Abschied über ihren einstigen Brotherren und meint, dass der Deutsche mit dem kantigen Kinn ein Galgenvogel gewesen sei.
    Pepe überreicht eine Handvoll Bananen aus dem Innenhof-Gärtchen. Die Hunde Morena und Terrible begleiten die Besucher noch ein Stück des Weges nach unten. Die Namen der Tiere bedeuten »braun« und »schrecklich«. Ob ihren Haltern der Hintersinn solcher Benennung bekannt ist?
    Beim Blick zurück vom Auto sieht man Rosa als sehr kleine Figur in roter Bluse auf der Terrasse der Villa sitzen. Sie schaut auf den Strand von Cofete und das nimmermüde Toben der Wellen auf dem goldgelben Sand. Dann rutscht eine Wolkenwand den Gebirgszug hinunter, verschluckt die Landschaft samt der Villa Winter und ihren betagten Wächtern. Nur die Hunde kläffen noch aus nebligem Grau.

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Du kommst hier nicht rauf!
Der höchste Berg Spaniens lässt sich nicht leicht bezwingen. Doch der Nationalpark am Fuß des Teide ist ein Wunder für sich
    »Der Mensch muss das Gute und Große wollen«, protokollierte Alexander von Humboldt, als er Teneriffa verließ. Es war das triumphale Resümee seines Inselbesuchs, den er mit der Besteigung des Teide krönte. Man schrieb das Jahr 1799, und der gigantische Vulkankegel im Zentrum der Insel wurde noch mit seinem alten Guanchen-Namen »Echeyde« bezeichnet. Das bedeutet so viel wie Höllenschlund, denn der Gipfel galt den Ureinwohnern als Heimstatt des bösen Dämonen Guayota. Ein heikler Ort also, zumal erst im Jahr zuvor glühendes Magma aus den »Nasenlöchern« eines Seitengipfels des Teide gequollen war. Aber Humboldt wollte da hoch, erforschte allerlei und war begeistert von der Exkursion – auch wenn ihm die Dämpfe des Teide-Kraters Löcher in die Klamotten brannten.
    So schlimm war es bei uns nicht. Gut, der Vulkan müffelte wie eine Stinkbombe, schmauchte Schwefel, vernebelte einem die Sinne. Ohnehin ist die Erinnerung verwittert wie das Lavagestein, denn unser erster Gipfelsturm liegt lange zurück. Das Wesentliche: Nachmittags sind wir damals aufgebrochen, hinauf zur Berghütte Refugio de Altavista, auf gerölligen
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Pfaden einen Fuß vor den anderen setzend. Die Nacht in der bescheidenen Herberge, die man vor ihrer Renovierung in den Jahren 2006–2007 eher ein steinernes Biwak nennen konnte, war kurz.
    Drei Stunden vor Sonnenaufgang muss man nämlich das refugio verlassen, wenn man den magischen Moment auf dem Gipfel erleben will. Gerade als es uns unter den Decken richtig kalt wurde, brachen wir schon wieder auf. Der Wind aus Nordost war eisig. Dauernd rutschte
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