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Lesereise Abu Dhabi

Lesereise Abu Dhabi

Titel: Lesereise Abu Dhabi
Autoren: Fabian Poser , Helge Sobik
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echtes Wow-Hotel für Edelaussteiger auf Zeit ist daraus geworden. Die Fantasieburg in den Dünen fernab aller Siedlungen heißt Qasr al-Sarab. »Palast der Wunder« bedeutet das. Es dürfte das luxuriöseste Wüstenhotel der Welt sein. Und das stimmungsvollste.
    Es ist riesig und duckt sich doch nur in ein einziges dieser vielen Dünentäler. Die Menschen, die bei Sonnenuntergang an dessen Hängen umherstapfen, werden dann auch schnell immer kleiner. Sie schrumpfen angesichts der Dimension dieser Wüste zu winzigen Punkten im Sand, kaum dass sie zweihundert Meter Luftlinie vom Betrachter entfernt sind. Das ist geblieben. Ali al-Mansouris Eltern erging es vor einem halben Menschenleben nicht anders.
    Was ihr Sohn mit dem pechschwarzen Bart heute beruflich macht? Er hat eine Kamelfarm in den Dünen und beschäftigt drei afghanische Hirten, die dort in Jurten im Sand leben und sich um die Tiere kümmern. Manchmal ist Ali bei ihnen, übernachtet mit ihnen in der Wüste – am liebsten im Freien, um den Sternenhimmel zu sehen, ehe ihm die Augen zufallen. Und dann hat er noch das andere Leben, von dem er ebenfalls nicht lassen mag. Es ist dreißig Autominuten und zugleich eine halbe Welt von den Kamelen entfernt.
    So werden Alis Eltern dann auch nicht geahnt haben, dass ihr Sohn einmal mit Urlaubern an den Panoramafenstern einer klimatisierten Lobby-Lounge in weichen Sesseln sitzen und bei heißem Minztee oder dickem arabischem Mokka vom Damals erzählen und durch Fensterglas in die Welt aus Dünen hinausblicken würde. Und dass er so etwas wie Botschafter eines ganz besonderen Hotels gut zweihundertfünfzig Kilometer im Hinterland von Abu Dhabi Stadt sein würde, um all die Fragen der Fremden zu beantworten. Dass die Gäste an seinen Lippen hängen würden. Und dass sie keine halbe Stunde zuvor ein paar Runden in einem weit geschwungenen Pool gedreht haben würden – mitten in diesem Meer aus Sand. Ein, zwei Stunden später werden sie zwei Stockwerke höher sitzen, gegrillte Lammspieße mit Minzsoße und Couscous essen und bald darauf einen Drink vor sich stehen haben, von der Rooftop Bar aus in die Weite schauen und dabei Jazz hören. Und manchmal setzt Ali sich wieder dazu und erzählt weiter vom Damals.
    Was er verschweigt: dass er der einzige Emirati ist, der zumindest zeitweise auf der Gehaltsliste des Hotel Qasr al-Sarab steht. Alle anderen Mitarbeiter kommen aus Indien, Sri Lanka, Bangladesh, von den Philippinen, aus Ägypten, Syrien, Pakistan. Und aus Österreich und England. Es sind Fremde, die die Vergangenheit der Emiratis zurückbringen. Es sind Ausländer, die ihnen das Luxusleben in der Wüste inszenieren. Und es ist Ali al-Mansouri als Einheimischer, der all das mit seinen Geschichten, mit der Authentizität seiner eigenen Erinnerungen speist. Einzig er ist es, der in diesem Wüstenhotel wirklich die Wüste kennt: diese Wüste. Die Rub al-Khali – die größte zusammenhängende Sandwüste des Planeten mit gut sechshundertfünfzigtausend Quadratkilometern Gesamtfläche. Sie reicht weit nach Saudi-Arabien hinein, erstreckt sich bis in den Oman und nach Jemen, und sie bedeckt etwa ein Viertel der Arabischen Halbinsel.
    Sie fühlt sich freundlich an, wenn sie zwischen den Fingern hindurchrinnt: kühl, fast ein bisschen klamm am Morgen, warm schon kurz danach, zu heiß, um am Nachmittag barfuß dort zu laufen. Der Sand wirkt wie geharkt, kunstvoll mit Ornamenten im Kies versehen wie ein japanischer Ziergarten, gepflegt wie ein mit der Nagelschere gestutzter englischer Rasen: so akkurat hergerichtet, dass man die Dünen anfangs gar nicht betreten mag, um nur ja nicht das schöne Muster zu zerstören. Dabei malt der Wind es beständig neu und überpinselt jede Fußspur in Minuten, radiert jeden Pfad einer Dromedar-Karawane binnen weniger als einer Stunde für immer aus. Er tut es mit nichts als dem Baumaterial dieser in ständiger Bewegung begriffenen Berge.
    Seit Oktober 2009 ist es dort in diesem einen Winkel nicht mehr ganz so leer wie zuvor – seit die fast verwaiste Welt aus Sand etwas bekommen hat, was keiner hier erwarten würde, obwohl es ins Bild passt: jenes Hotel, das Branchenexperten auf gut eine halbe Milliarde Dollar Erstellungskosten taxieren. Jeder Stein, jedes Segment Leitungsrohr, jeder Wasserhahn, jede Schranktür musste von weither transportiert werden. Und mancher Straßenabschnitt musste dafür erst geschaffen werden. Kabel für die Stromversorgung mussten erst bis in die Wüste verlegt,
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