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Leonardos Drachen

Leonardos Drachen

Titel: Leonardos Drachen
Autoren: Alfred Bekker
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klargemacht, dass man in Florenz nicht so herumlaufen konnte, wie das in einem kleinen Dorf wie Vinci möglich war. „Du musst auch an mich denken, Leonardo!“, hatte er die Worte seines Vaters noch im Ohr. „Ich bin hier ein angesehener Notar und meine Frau gehört einer reichen Florentiner Familie an. Da kann mein Sohn nicht wie ein Bettler herumlaufen und seine Schuhe zu Hause lassen. Was macht das denn für einen Eindruck!“
    Davon abgesehen waren die Straßen von Florenz oft so dreckig, dass es tatsächlich besser war, wenn man Schuhe trug. Vor allem dort, wo kurz zuvor Markt abgehaltenworden war, fanden sich Pferdeäpfel und verfaulendes Abfallgemüse auf dem Pflaster. Eigentlich verboten es die Gesetze der Stadt, irgendetwas in den Straßen und auf den Plätzen von Florenz zurückzulassen, was dort nicht hingehörte. Aber daran hielt sich so gut wie niemand.
     
    S ie erreichten schließlich das Haus von Ser Piero d’Antonio   – Leonardos Vater. Es lag an einer schmalen Straße und gehörte ganz gewiss nicht zu den prächtigsten Bauten der Stadt. Mit den Palästen und Herrenhäuser der reichen Kaufleute war es nicht zu vergleichen, und doch war es größer und prachtvoller als jedes Haus, das es in Vinci gab.
    Es war auf jeden Fall das einzige Gebäude in der ganzen Straße, bei dem sämtliche Fenster mit Glas verkleidet waren! Das war längst keine Selbstverständlichkeit, selbst die Fenster des Rathauses, in dem der Senat der Stadt seine Sitzungen abhielt, waren am Tag nur mit Alabaster oder Leinen verhängt, sodass das Sonnenlicht hineinscheinen konnte, es aber nicht so schlimm zog und außerdem die Mücken im Sommer draußen blieben. Häuser mit verglasten Fenstern waren die Ausnahme. Ser Pieros Haus gehörte nur deswegen dazu, weil Piero de’ Medici einen Glasermeister aus Venedig hatte kommen lassen, um die Fenster seines Palastes zu erneuern. Mit zwanzig Gesellen und einer großen Schar von Fuhrleuten, Trägern und Ochsentreibern war der Glasermeister nach Florenz gekommen, zusammen mit zwei Dutzend Wagen, auf denen sich feinstes venezianischesGlas befunden hatte. Glas, das in den besten Werkstätten Venedigs geschaffen worden war. Man hatte in Venedig alle Glasbrenner der Gegend auf einer Insel angesiedelt, zu der kein Fremder Zugang hatte. Damit wollte man verhindern, dass sich das Wissen der Glasbrenner weiterverbreitete, denn dann wären den Venezianern die guten Glasergeschäfte entgangen. Auch jener Glaser, den Piero de’ Medici nach Florenz kommen ließ, durfte in Florenz kein Glas brennen, wollte er jemals nach Venedig zurückkehren, ohne dort in den Kerker geworfen zu werden.
    Deshalb mussten die Glasscheiben über Hunderte von Meilen auf Pferdewagen und Ochsenkarren transportiert werden. Dabei kalkulierte man von vornherein ein, dass ein Teil der Ware auf dem Weg zu Bruch ging.
    Doch die Fuhrleute hatten offenbar ihr Handwerk gut verstanden. Es war weniger zu Bruch gegangen, als man gedacht hatte, und so hatte man schließlich sogar einige Scheiben übrig gehabt. Piero de’ Medici hatte diese Glasscheiben seinem Namensvetter Ser Piero d’Antonio geschenkt, um sich dessen Dienste auch in Zukunft zu versichern. Leonardos Vater war schließlich ein guter Notar, der fehlerlos Verträge und andere Schriftstücke aller Art verfassen und dabei auch noch leserlich schreiben konnte. Solche Männer waren sehr gefragt, und da war es besser für den Stadtherrn, großzügig zu sein. Schon deshalb, damit Ser Piero nicht etwa für eine der anderen Florentiner Familien arbeitete! Schließlich bekam ein Notar Dinge mit, die nicht jeder wissen sollte, zum Beispiel denInhalt von Testamenten. Einem Notar musste man unbedingt vertrauen können – und dieses Vertrauen ließ sich Piero de’ Medici auch einiges kosten.
    Leonardo und Clarissa gingen durch die Tür in den großen Wohnraum, der fast das gesamte Erdgeschoss des Hauses einnahm. Dort wurde auch gekocht. Im Nebenraum war das Schlafzimmer der Eltern. Ansonsten gab es hier nur noch das Arbeitszimmer des Notars, in das man durch eine weitere Tür gelangen konnte. Aber dieses Arbeitszimmer brauchte Ser Piero nur noch selten, denn zumeist ging er seiner Arbeit im Palast der Familie Medici nach. Für andere Kunden arbeitete er kaum noch.
    Leonardos Zimmer und auch das Gästezimmer, in dem Clarissa zurzeit wohnte, waren im Obergeschoss, während sich unter dem Dach noch ein paar Abstellkammern befanden.
    Es roch gut im Haus, denn über dem Feuer
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