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Lennox 01 - Lennox

Titel: Lennox 01 - Lennox
Autoren: Craig Russell
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hatten die Drei Könige erklärt, dass Mr. Morrison nicht an der Sache beteiligt sei, und damit war es offiziell. Die Spekulationen und Gerüchte, die trotzdem Blüten trieben, waren bloß Auswüchse der morbiden Faszination unbedeutender Teilnehmer in einem Spiel, das sie nicht begriffen.
    Mir war das Ganze herzlich gleichgültig. Ich hatte an McGaherns Mörder kaum einen Gedanken verschwendet – bis vor vier Wochen und einem Tag sein Bruder Frankie meine Bekanntschaft machte.
    Wir waren uns nicht zufällig begegnet. In Glasgow konnte mich jeder finden, der mich suchte. Offiziell hatte ich auf der Gordon Street ein kleines Ein-Zimmer-Büro gemietet, aber meine eigentlichen Sprechstunden – zwischen halb acht und neun Uhr abends – hielt ich im Horsehead ab. Und dort fand mich Frankie McGahern. Mein erster Eindruck von Frankie war eher bescheiden. Frankie wirkte auf mich wie ein Anzug aus der vornehmen Savile Row, der auf einem rostigen Bügel hing. Trotz der teuren Klamotten und den Goldklunkern sah Frankie typisch nach Glasgow aus: klein, dunkel, schlechte Haut und von dem Gefühl geprägt, zu kurz gekommen zu sein.
    »Lennox?« Frankie fragte es in einem Tonfall, als wollte er mich zu einem Kampf herausfordern.
    »Der bin ich.«
    »Ich bin Frankie McGahern. Ich will mit Ihnen reden.«
    »Ich bin stets zu einem netten Schwätzchen aufgelegt«, sagte ich mit meinem gewohnt entwaffnenden Lächeln. In einer Stadt, in der die meisten Klienten, mit denen man es zu tun bekommt, alles Mögliche in der Hosentasche haben können, von einem Rasiermesser bis hin zu einer Kanone vom Kaliber .45, zahlt es sich aus, wenn man entwaffnend lächeln kann.
    »Nicht hier.«
    »Warum nicht?«
    »Verarschen Sie mich nicht. Das wissen Sie genau.«
    Ich wusste es tatsächlich. Fast jeder Schluckspecht in Hörweite gab sich allzu offensichtliche Mühe, so zu tun, als würde unser Gespräch ihn nicht interessieren; dabei reckten alle ihre Lauscher in den blaugrauen Zigarettendunst, um jedes Wort aufzuschnappen, das Frankie und ich wechselten. Die meisten Lauscher sahen wahrscheinlich nicht mal Frankie, sondern den Geist von Tam McGahern. Die McGaherns waren noch immer das Tratschthema Nummer eins. Und dass Frankie mich nun aufsuchte, machte mich zu einem Teil des Getratsches. Das gefiel mir nicht. Genau genommen war es erstaunlich plump und ungeschickt von Frankie, mich in aller Öffentlichkeit anzusprechen. Man erzählte sich, dass Frankie sich nach Tams Bleieinlauf jedes Mal, wenn es an die Tür klopfte, erkundigte: »Einlass oder Einlauf?«
    »Wo dann?«, fragte ich ihn.
    Er reichte mir eine gedruckte Visitenkarte mit der Adresse einer Autowerkstatt in Rutherglen.
    »Da treffen wir uns«, sagte er. »Morgen Abend, halb zehn.«
    »Und worum geht es?«
    »Ich hab einen Auftrag für Sie. Ihre Art Arbeit. Dinge herausfinden.«
    »Na ja, es gibt da ein paar Dinge, die finde ich lieber nicht heraus«, entgegnete ich. »Und ich habe das Gefühl, genau das wollen Sie von mir.«
    Frankie straffte die schmalen Schultern in seinem teuren Anzug. Die pockennarbige Haut in seinem Gesicht spannte sich wie bei einer Katze, wenn sie die Ohren zurückstellt, ehe sie sich auf die Maus stürzt. Nur war ich eine sehr große Maus. Frankie beugte sich näher an mich heran.
    »Sie können selbst entscheiden, ob Sie aufkreuzen oder nicht. Aber wenn Sie nicht zu mir kommen, dann komme ich zu Ihnen. Capiche? «
    Wenn jemand mit schottischem Dialekt ein Wort ausspricht, das aus dem Italienischen oder einer anderen romanischen Sprache stammt, kann ich kaum an mich halten. Frankie bemerkte, wie meine Mundwinkel zuckten, und kam einen Schritt näher zu mir und zur Gewaltanwendung.
    »Dann haben wir ein Problem, mein Freund«, sagte ich und drehte mich von der Theke zu ihm um. Normalerweise griffen Audie Murphy oder Jack Palance jetzt nach den Sechsschüssern. Und hätte in der Ecke jemand auf dem Piano geklimpert, hätte er jetzt aufgehört. Hier in Glasgow aber ließ unsere kleine Kontroverse lediglich die Gespräche ringsum verstummen. McGaherns kleine Augen schienen noch kleiner zu werden. Rattenklein. Hart. Funkelnd vor Hass. Plötzlich schien er zu bemerken, dass wir Publikum hatten, und wirkte nicht mehr ganz so selbstsicher.
    »Wir sind noch nicht fertig, Lennox.«
    »Oh doch, das glaube ich schon.«
    »Mein Geld ist genauso gut wie das von einem der Drei Könige ... so gut wie von jedem. Sie übernehmen den Auftrag für mich. Ich bitte Sie nicht darum. Ich
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