Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Lennox 01 - Lennox

Titel: Lennox 01 - Lennox
Autoren: Craig Russell
Vom Netzwerk:
bedrohte damit Lillian und McGahern.
    »Die Schrotflinte runter«, befahl sie McGahern. »Langsam und vorsichtig.«
    Ich stand auf. McGahern legte gehorsam die Schrotflinte auf den Boden. Ich bemerkte, wie er mit Lillian einen Blick tauschte. Helena schaute mich an und lächelte gehetzt. »Die Dinge sind nie so, wie sie zu sein scheinen«, sagte sie. »Erinnerst du dich, dass ich dir das mal gesagt habe?«
    Ich wollte mir die Schrotflinte holen. Im gleichen Moment erschien der Fette Holländer wieder am oberen Ende der Treppe. Helena schwang die Pistole zu ihm herum, und ich sprang zu der Schrotflinte, die vor McGaherns Füßen lag. McGahern warf sich auf mich und fing mich im Sprung ab. Wir stürzten zu Boden. Irgendwie kam McGahern oben zu liegen und schlug mit der Handkante nach meinem Adamsapfel, doch ich wand mich zur Seite, sodass der Schlag mich nur seitlich gegen den Hals traf.
    Es krachte ohrenbetäubend.
    Wir starrten beide in Lillians Richtung. Sie hielt die rauchende Schrotflinte in Händen, während Helena auf dem schmutzigen Boden des Lagerhauses lag. Dort, wo ihr Gesicht hätte sein sollen, war nur noch eine rote Masse aus Blut und Knochensplittern. Ich hörte mich aufschreien und packte das Springmesser, rammte McGahern die Klinge unter den Rippen hindurch in den Leib und zog sie nach oben. Mit einem fassungslosen Ausdruck starrte er mir in die Augen. Er riss den Mund auf, und seine Augen quollen hervor, als ich das Messer um hundertachtzig Grad drehte. Ich spürte, wie mir sein klebrig-warmes Blut am Handgelenk herunter in die Manschette lief.
    Ich schob McGahern von mir herunter und kam gerade rechtzeitig auf die Beine, dass Lillian mir den zweiten Lauf der Schrotflinte zu schmecken geben konnte. Der Schuss traf mich in die Seite. Links unten, dicht über der Hüfte. So sehr tat es gar nicht weh, aber ich kam mir vor, als hätte mich jemand in ein Vakuum geworfen, und ich keuchte, um Luft in die leere Lunge zu bekommen. Neben Helenas Leiche brach ich zusammen, die Wange auf ihrem Oberschenkel. Er war noch warm.
    Ich packte die Pistole, die neben Helena lag, feuerte mehrmals in Lillians Richtung und kämpfte mich hoch, die Waffe noch in der Hand. Lillian war verschwunden, hatte aber die Reisetasche mit dem Geld zurückgelassen, als sie sich unter meinen Kugeln duckte. Helena lag ohne Gesicht am Boden. Der Offizier der British Army, der Araber und McGahern waren ebenfalls keine allzu lebhafte Gesellschaft mehr. Ich lehnte mich an die Wand und drückte meine Hand auf die Stelle, an der das Blut aus meiner Seite quoll. Ich versuchte zu Atem zu kommen und lauschte auf den Regen und ein dumpfes metallisches Dröhnen, das von irgendwo aus dem Hafen herüberdrang.
    Ich schaute zu dem Holländer, der noch immer am oberen Ende der Stahltreppe stand.

31
     
    Es regnet. Die Welt hinter dem verschmierten Fenster ist so grau und schwer wie nasses Blei. Der heftige Wind packt sich Hände voll Regentropfen und schleudert sie wie Kiesel gegen die Scheibe, als versuchte er meine Aufmerksamkeit darauf zu lenken, wie trostlos es da draußen wirklich ist. Das dumpfe Dröhnen irgendeiner schweren Maschine, die rhythmisch auf Metall hämmert, hallt durch den Regen, manchmal laut, manchmal gedämpft, ganz nach Laune des Windes.
    Doch meine Aufmerksamkeit gilt vor allem dem Raum, in dem ich bin. Ich habe mich schon oft aus einer Klemme herausreden müssen, aber so eng wie diesmal war es noch nie.
    Im Obergeschoss eines leeren Lagerhauses am Hafen lehne ich an der Wand. Ich lehne an der Wand, weil ich meine Zweifel habe, dass ich noch aufrecht stehen könnte, ohne mich irgendwo festzuhalten. Ich überlege, ob links unten in meinem Unterleib, gleich über der Hüfte, irgendwelche lebenswichtigen Organe sitzen. Ich versuche mir die anatomischen Zeichnungen aus dem Lexikon, in das ich als Kind geschaut habe, ins Gedächtnis zu rufen, denn falls dort wirklich lebenswichtige Organe sitzen, habe ich es so ziemlich hinter mir.
    Ich lehne an der Wand eines leeren Lagerhauses am Hafen und versuche mich an anatomische Zeichnungen zu erinnern, und ungefähr drei Meter vor mir liegt eine Frau auf dem Boden. Ich brauche mir kein Lexikon aus der Kindheit ins Gedächtnis zu rufen, um zu wissen, welches ziemlich wichtige Organ im Schädel eines Menschen sitzt, auch wenn ich mich in den letzten vier Wochen mit dem Gebrauch besagten Organs nicht gerade hervorgetan habe. Jedenfalls, die Frau auf dem Boden ist Helena Gersons, und von ihrem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher