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Lennox 01 - Lennox

Titel: Lennox 01 - Lennox
Autoren: Craig Russell
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überprüfte die Trommel des Webley, klappte den Revolver zu und schob ihn mir in den Hosenbund. Ich fand ein Loch im Zaun und lief geduckt von Lagerhaus zu Lagerhaus, bis ich Kai Nummer dreizehn fand. Vielleicht war es meine Glücksnummer. Ich konnte das Lagerhaus sehen. Ein Bedford-Lieferwagen vom gleichen Fabrikat, wie es an dem Abend benutzt worden war, als man versucht hatte, mich zu entführen, parkte davor. Über der Ladung lag eine Plane. Es fing an zu regnen. Auf der anderen Seite des Kais begann irgendetwas gegen Metall zu schlagen und sandte einen klingenden Widerhall über das Wasser. Ich eilte zurück hinter das Lagerhaus und versteckte mich dort. Ich zog den Webley aus dem Hosenbund und knöpfte Jacke und Mantel wieder zu. Dann schaute ich auf meine Uhr: zehn vor zwölf. Gary Cooper war wenigstens nicht nassgeregnet worden.
    Zwei Wagen trafen in ungefähr fünf Minuten Abstand ein. Sie fuhren vor das Lagerhaus, doch ich konnte nicht sehen, wer ausstieg.
    Ich ging die Rückseite des Gebäudes entlang und bog um die Ecke. An der Seite fand ich eine Tür, leider mit einem Vorhängeschloss, also musste ich auf dem gleichen Weg hinein wie jeder andere. Ich rannte an der langen Seite des Lagerhauses entlang und duckte mich hinter mehrere große Ölfässer. Ich schaffte es gerade, dann fuhr ein drittes Auto heran, ein Nash-Sportwagen, und ein rothaariger Mann in einer Jacke mit Hahnentrittmuster und einer Hose aus Kavallerie-Twill stieg aus. Ich beobachtete, wie dieser ländlich wirkende Mensch, den ich für den Verbindungsmann zum Militär hielt, im Lagerhaus verschwand. Er sah ganz so aus wie jemand, den Lillian und ihre Mädchen hätten kompromittieren können.
    Einen Augenblick lang zögerte ich. Ich wusste nicht, wohin mein Ein-Mann-Kreuzzug eigentlich führen sollte. In gewisser Weise hoffte ich noch immer, dass mein alter Kumpel, der Fred-MacMurray-Doppelgänger, und seine Freunde vom Mossad zu meiner Rettung herangaloppierten, so eine Art US-Kavallerie mit Jarmulken. Schließlich hatte unsere Begegnung in Perth nur dem einen Zweck gedient, mich wissen zu lassen, dass sie in der Gegend waren – falls ich je enträtseln sollte, um wen es sich handelte.
    Ich blickte hilflos auf den Revolver in meiner Hand. Tja, Lennox, niemand lebt ewig. Wenigstens bist du dann die Kopfschmerzen los.
    Ich stahl mich um die Ecke und drückte die Tür so weit auf, dass ich ins Lagerhaus blicken konnte. Es war zweistöckig, und ich sah noch den Rücken des vermutlichen Offiziers, wie er auf der Metalltreppe verschwand, die in die obere Etage führte. Im Erdgeschoss war niemand, aber mitten in dem riesigen Raum standen einsam zwei Kisten. Ich vermutete, sie waren wahllos von dem Lkw abgeladen worden, damit die Käufer die Ware prüfen konnten.
    Ich huschte zu den Kisten, legte den Webley ab und schnappte mir die Brechstange, die an den Kisten lehnte. Stramme Leistung, so weit gekommen zu sein, Lennox, lobte ich mich. Dann allerdings verdarb jemand mir die Freude, indem er mir etwas Kaltes, Hartes ins Genick drückte. Es fühlte sich wie eine Pistolenmündung an.
    »Keine Bewegung, Mr. Lennox.« Die Stimme hatte einen holländischen Akzent. »Ich bin Experte für Genickschüsse.« Ich hob die Hände. Jemand nahm mir den Webley weg. »Umdrehen.«
    Ich gehorchte und stand vor einem großen, massig gebauten Mann, der tadellos und teuer gekleidet war. Der Fette Holländer. Neben ihm stand ein kleinerer, dunklerer Kerl: der andere Araber. Er hielt meinen Webley in der Hand und starrte mich ausdruckslos an. Vielleicht hing er gerade dem Tagtraum nach, der Tochter eines Marquess Gewalt anzutun, so wenig konnte ich seinem Gesicht entnehmen. Dann schoss mir der unangenehme Gedanke durch den Kopf, dass er vielleicht davon träumte, mir Gewalt anzutun, und ich richtete den Blick wieder auf den Dicken.
    »Das ist nicht Ihr üblicher Handlanger, stimmt’s?«, fragte ich. »Normalerweise haben Sie Peter Lorre dabei.«
    Der Dicke lachte nicht. Um ehrlich zu sein, sah er Sidney Greenstreet kein bisschen ähnlich.
    »Sie sind nicht halb so komisch, wie Sie glauben, Mr. Lennox.« Der dicke Mann sprach mit dem typischen zischenden holländischen Akzent. Vor Kriegsende hatte ich einige Zeit in Holland verbracht – lange genug, um höllischen Respekt vor den Menschen zu entwickeln, die man mit Füßen getreten und ausgehungert hatte, und die dann einfach die Ärmel hochgekrempelt und sich daran gemacht hatten, ihr Land wieder aufzubauen.
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