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Lena Christ - die Glueckssucherin

Lena Christ - die Glueckssucherin

Titel: Lena Christ - die Glueckssucherin
Autoren: Gunna Wendt
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günstig
    Erwerbs- und Vermögensverhältnisse: ungünstig
    Art, Ort und Zeit der Selbstentleibung: 30.6.20, Waldfriedhof, vergiftet
    Nächste Veranlassung: Furcht vor Strafe

    37 Abschrift der Sterbeurkunde
    Am 13. Juli 1920 äußerte sich Peter Jerusalem ausführlich auf der Titelseite der Münchner Neuesten Nachrichten zum Tod seiner Frau. Es handelte sich dabei allerdings nicht um eine »Würdigung«, wie die Überschrift verspricht, sondern um eine Abrechnung. Die Schriftstellerin Lena Christ rückte in den Hintergrund neben der Ehefrau, die er als Psychopathin, ja als Besessene diffamierte. Ihre Lebensfreude nannte er Haltlosigkeit und ihr künstlerisches Schaffen »seltsam«.
    Ist es Zufall, dass er unter dem neuen Namen Peter Benedix das Buch Der Weg der Lena Christ zwanzig Jahre nach dem Selbstmord seiner Frau veröffentlichte – also zu dem Zeitpunkt, als er sicher sein konnte, dass Beihilfe zum Selbstmord als Straftat verjährt war? Das Buch erschien 1940 im Wiener Adolf Luser Verlag in einer Auflage von 5000 Exemplaren und zehn Jahre später als Neuauflage, die nur geringfügige Veränderungen aufwies, im Münchner Ludwig Baur Verlag. Sie betrug ebenfalls 5000 Exemplare.
    Hulda Hofmiller, die Witwe des Literaturkritikers Josef Hofmiller, schrieb anlässlich der Publikation im Januar 1941 an Justizrat Windisch: »Man braucht doch kein Christ sein, man braucht nur human zu denken, um das Handeln dieses Mannes grauenhaft zu finden! Ich schäme mich der Tat dieses Mitschuldigen (und viel schwerer Schuldigen) für das ganze Deutschland, und der ungenierten, ja sogar günstig besprochenen – Veröffentlichung und eingehenden Darstellung dieses verbrecherischen Handelns für die ganze deutsche Literatur.« Sie fragt, ob es keine Möglichkeit gäbe, dieses Machwerk zu verbieten – das würde sie gern tun. Sie wisse, dass das ebenso im Sinne ihres verstorbenen Mannes sei.
    Auch andere Leser verurteilten die mit großer Selbstverständlichkeit geschilderte Beihilfe zum Selbstmord, sodass Peter Jerusalem sich genötigt sah, in den Sudetendeutschen Monatsheften eine Richtigstellung zu verlangen. Am 22. April 1941 schrieb er an den Schriftleiter dieses Magazins einen Brief, in dem er den Vorwurf, mit der Publikation genau so lange gewartet zu haben, bis seine Straftat verjährt war, aufs Schärfste zurückwies. Er bestand darauf, dass er die Gründe, bei dem Selbstmord zu helfen, in seinem Buch ausführlich dargelegt habe, und spricht von einem »letzten Liebesdienst« an einer »Frau, die verloren war«. In der von ihm verfassten »Berichtigung« zur Besprechung seines Buches in der Januarnummer 1941 der Sudetendeutschen Monatshefte heißt es: »Wenn der Verfasser der Lena Christ das Gift verschafft hat, mit dem sie sich getötet hat, so hat er damit nach deutschem Recht keine strafbare Handlung begangen, da es eine Beihilfe nur bei strafbarer Haupttat gibt, der Selbstmord aber keine Straftat ist.« Daher sei die Unterstellung sinnlos, er habe mit der Veröffentlichung bis zur Verjährung gewartet. Damals sei er zwar offiziell noch mit ihr verheiratet gewesen, habe aber bereits die Scheidung eingereicht und sich nicht mehr mit ihr verbunden gefühlt, »so dass ihre Verirrungen und deren Folgen ihn weder rechtlich noch moralisch berührten. Das Gift hatte er ihr allein aus reiner Menschlichkeit verschafft, weil es nach der begründeten Anschauung beider keinen andern Ausweg mehr für sie gab, und weil sie ohne ihn, den sie in letzter Stunde wieder zu sich rief, eine grausamere Form des Selbstmordes, Absturz von der Großhesseloher Brücke im Isartal, gewählt hätte.«
    Unterstützt wurde er in seiner Begründung von Lena Christs Tochter Magdalena, die in späteren Interviews den fortgeschrittenen Krankheitszustand und die unaufhaltsame Entschlossenheit ihrer Mutter erwähnte. Die damals Sechzehnjährige hatte sie zunächst retten wollen, war nach Verkündigung der Anklage zur Kriminalpolizei gegangen und hatte ein Geständnis abgelegt, in dem sie sich selbst als Fälscherin der Unterschriften beschuldigte. Natürlich glaubte ihr niemand. Schließlich akzeptierte sie den Willen ihrer Mutter.
    In krassem Gegensatz dazu steht die Auffassung ihrer eigenen Tochter. Erika Schneider vertrat viele Jahre später die Meinung, Jerusalem hätte ihrer Großmutter helfen können und unbedingt helfen müssen. Sein Buch gehörte für sie zu den verabscheuungswürdigen Büchern, die man eigentlich nicht bei sich haben, sondern an
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