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Lena Christ - die Glueckssucherin

Lena Christ - die Glueckssucherin

Titel: Lena Christ - die Glueckssucherin
Autoren: Gunna Wendt
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lenkte sie von ihren trüben Gedanken ab.
    Wie aus dem Nichts scheint Lodovico Fabbri in Lena Christs Leben aufgetaucht und nach einer Weile ebenso plötzlich und spurlos wieder verschwunden zu sein. Und so gut wie nichts ist von ihm überliefert: kein Bild, keine Daten, nur ein Plakat mit seinem Namen:
    Heiterer bunter Abend
    Am Pfingst-Montag, den 9. Juni 1919, abends 8 Uhr veranstalten im Hotel Post in Partenkirchen
    Lena Christ,
    bayerische Schriftstellerin
    und
    Lodovico Fabbri,
    internationaler Sänger zur Laute
    einen
    heiteren bunten Abend.
    Eintrittskarte Mk 3,-

    34 Kofferaufkleber
    Lena Christ nannte Lodovico Fabbri ihren »Bub«. Durch seine Jugend verkörperte er für sie wohl auch den Sohn, den sie verlassen und verloren hatte. Doch vor allem war er einer wie sie – einer, der sich selbst erfunden hatte: Aus Ludwig Schmidt hatte er Lodovico Fabbri werden lassen. Er glich ihren Romanfiguren, die ihr Leben nach ihren eigenen Vorstellungen gestalten und auf ihr Glück nicht verzichten wollen, allen voran Mathias Bichler, zeitweise Mitglied einer Schauspieltruppe, der auch Lodovico hätte angehören können. Wie Mathias Bichler nach seinem Sturz im Gebirge brauchte er Hilfe, denn er hatte sich eine schwere Handverletzung zugezogen, die ihm das Lautespielen unmöglich machte. Dieses Handicap lässt Jerusalem außen vor, wie Günter Goepfert betont; es hätte wohl das Bild des Gigolos, das er zeichnet, zerstört. Über Lena Christs letzte Lebensphase erfuhr ihr Biograf durch die Erzählungen der ältesten Tochter. Fabbri befürchtete sogar, überhaupt nicht mehr spielen zu können, als er der Schriftstellerin begegnete. Sie war es, die ihm Hoffnung und Kraft gab, als er mutlos war und zu resignieren drohte. Sie wusste, dass er nur durch Fleiß und Willenskraft weiterkommen würde. Jeden Tag machte er unter ihrer Anleitung seine Übungen. Wenn er aufgeben wollte, sprach sie ihm gut zu. Als ebenso geduldige wie strenge Therapeutin zeigte sie großes Engagement und hatte damit Erfolg. Bald war er wieder so weit, dass er sich auf der Laute begleiten konnte. Nun sangen sie gemeinsam. Lena hatte endlich einen Mann gefunden, der ihre Liebe zur Musik teilte – wie damals der junge Geistliche, ihre erste Liebe, der sie seinen Singvogel nannte. »Wann i dich nur bloß ein einzigs Mal so viel lieb haben dürft!«, hatte sie sich damals gewünscht. »Aber ich hab’ ihn ja so lieb ghabt«, gestand sie Peter Jerusalem, nachdem Lodovico sie verlassen hatte.
    Lodovico war nicht als Romanheld, sondern als lebendiger Mensch – als Mann – in ihr Leben getreten: jung, liebevoll, zärtlich, leidenschaftlich, aber nicht besitzergreifend. So hatte sie sich die Liebe immer gewünscht. Die schönste Liebesszene, die Lena Christ schrieb, beginnt mit einem Gewitter. Das Waldhaus liegt in tiefer Dunkelheit, Kathrein hat Angst und schlüpft zu Mathias ins Bett. Sie ist eine junge Frau, er beinahe noch ein Kind. Was dann geschieht, schildert die Autorin als Traumsequenz, in die sich die Realität hineindrängt. Sie lässt Mathias berichten: »Ich bettete sie aufs Kissen, schob meinen Arm unter dasselbe und legte mich ganz nahe neben sie. Da schlang sie ihre Hände um meinen Hals, und wir hielten uns ganz still.« Das Gewitter entfernte sich, Ruhe kehrte ein. »Das Kathreinl war an meinem Hals eingeschlafen und ihre Hände lösten sich langsam und fielen herab. Ich zog leise meinen Arm unter ihrem Haupt weg, nahm ihre Hände in die meinen und schlief am End gleichfalls ein. Brummend schlug die Uhr eben vier, als ich erwachte und mich einen Augenblick besinnen musste, ehe ich Traum und Wirklichkeit voneinander scheiden konnte; denn ich hatte im Schlaf das Kathreinl weit fortgeführt in ein hohes Haus und hatte dort Hochzeit gemacht mit ihr.« Das Zusammenstürzen des Hauses hatte ihn aus seinem Traum erwachen lassen. »Nun sah ich das Mädchen schlafend neben mir, und ich besann mich auf den Abend und die Nacht. Ein ruhiges Glücksempfinden überkam mich, und ich betrachtete mit großer Lust das feine Gesicht, die halboffenen Lippen und die langsam auf- und niedergehende Brust.«
    Im Januar 1919 verließ Lena Christ ihren Mann und ging mit den beiden Töchtern zurück nach München. Lodovico war ihr schon vorausgezogen. Sie lebten eine Weile zusammen in der kleinen und mit den abgestellten Möbeln überfüllten Wohnung in der Winthirstraße 41. In dieser Zeit ahnte sie, dass ihr Glück mit dem jungen Mann nicht von Dauer sein würde.
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