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Lena Christ - die Glueckssucherin

Lena Christ - die Glueckssucherin

Titel: Lena Christ - die Glueckssucherin
Autoren: Gunna Wendt
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mit vollen Händen ausgeben konnte. Der Vorschuss, den ihr der Paul List Verlag für Madam Bäurin zahlte, war bald aufgebraucht. In den Nachkriegsjahren war die wirtschaftliche Lage angespannt. Es gab viele Arbeitslose, die Kosten für Lebensmittel stiegen.
    An einen neuen Vertrag war nicht zu denken. Der Albert Langen Verlag hatte das Interesse an dem von der Autorin seit Jahren angekündigten Kaspar-Glück-Roman verloren. In dieser aussichtslosen Situation entschloss sich Lena Christ, Künstlerkollegen um Hilfe zu bitten. Sie schickte ihre Tochter Magdalena zu den Münchner Malergrößen Franz von Stuck und Franz von Defregger, mit der Bitte, ihr Skizzen oder kleine Bilder zu überlassen, die sie verkaufen könnte, um damit den Lebensunterhalt für sich und ihre beiden Töchter zu sichern.
    In Franz von Defreggers Nachlass befindet sich ein Exemplar der Erstausgabe von Madam Bäurin mit der Widmung:
    Herrn Professor Franz v. Defregger
    dem hochverehrten Meister zu seinem 85. Geburtstag mit den ergebensten Wünschen!
    Frau Lena Christ
    München, 1.5.20.
    Vermutlich hatte sie seinen Geburtstag zum Anlass genommen, ihre Tochter zu ihm zu schicken. Doch Magdalena kam mit leeren Händen zurück.

    35 Erstausgabe mit Lena Christs Widmung für Franz von Defregger
    Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Zurückweisung die Initialzündung für die nun folgenden Kurzschlusshandlungen Lena Christs war. Wenn man ihr nicht helfen wollte, musste sie selbst zur Tat schreiten. So hatte sie es immer gemacht. Sie wusste, dass Bilder renommierter Künstler eine solide Geldanlage darstellten, die besonders in Krisenzeiten bei wohlhabenden Leuten populär war. Es war der Name, der zählte. Also versah sie in knapp zwei Wochen eine unbekannte Zahl von Gemälden mit den Signaturen arrivierter Maler und verkaufte sie zu deren Marktwert. Ein Teil der Bilder stammte aus ihrem Privatbesitz, weitere muss sie auf dem Trödelmarkt erworben haben. Dubiose »Kunsthändler« gab es in der Zeit der Inflation genug. Mitte Mai 1920 wurde der Betrug entdeckt. Der Hamburger Parfumfabrikant Dralle hatte 25 000 Mark für ein Bild gezahlt, das mit Defregger signiert war.
    Lena Christ verteidigte sich mit einer abstrusen Lügengeschichte. Dazu wandte sie sich an den Apotheker und Publizisten Richard Scheid, der damals der Münchner Stadtratsfraktion der USP angehörte, die sich aus der Sozialistischen Arbeitsgemeinschaft, einer Oppositionsbewegung innerhalb der SPD, gebildet hatte. In ihrem Brief vom 26.5.1920 spricht sie von »unserem Parteivorstand« und äußert sich so, als sei sie selbst Mitglied der Partei. Sie informierte Scheid über einen Streit mit dem Maler Prof. Josef Futterer, dessen Signatur sie ebenfalls gefälscht hatte, beschuldigte jedoch einen anderen. Von dem eigentlichen Tatbestand lenkte sie ab, indem sie auf Futterers Gegnerschaft zur USP hinwies: »Futterer ist erstens ein ausgesprochen rabiater Gegner unserer Partei.« Sie folgerte daraus, dass er Bilder vernichten wollte, weil sie Rotgardisten zeigten. Schließlich drehte sie die Fakten einfach um, bezeichnete sich als Betrogene und Beschützerin der armen Menschen, die in ihrer Not Bilder fälschten. »Ich kann arme Leute, die nur aus Not gehandelt haben und sonst so gute, ja gebildete Leute sind, nicht ins Elend bringen.«
    Am 17. Juni 1920 berichteten die Münchner Neuesten Nachrichten in ihrer Morgenausgabe, die Kriminalpolizei habe umfangreiche Bilderfälschungen festgestellt, die eine »im Norden der Stadt wohnende Schriftstellerin mit bekanntem Namen« begangen habe. Um den Verdacht von sich abzulenken, habe sie nicht davor zurückgeschreckt, einen Toten zu beschuldigen. Sie versuchte »einer Witwe, deren gemütleidender Mann vor einem Monat freiwillig aus dem Leben geschieden ist, mehrere tausend Mark zu entlocken mit der Angabe, dass der Mann ihr die gefälschten Bilder verkauft habe«. Diese Verdächtigung entbehre jeder Grundlage, und die beschuldigte Schriftstellerin habe bei der polizeilichen Vernehmung zugegeben, etwa 60 000 Mark mit ihren Fälschungen eingenommen zu haben. Peter Jerusalem erfuhr von den Geschehnissen aus den Zeitungen, die auch an den kommenden Tagen immer wieder darüber informierten.
    Was nun geschah, beschreibt Jerusalem äußerst detailliert in seinem Buch: Ende Juni 1920 fand er zu Hause einen Brief von Lenas älterer Tochter Magdalena vor. Sie hatte ihn in großer Aufregung geschrieben, während sie vergeblich auf ihn wartete. Darin sprach
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