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Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall

Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall

Titel: Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall
Autoren: Bernd Franzinger
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hinein.
    Eingangs der nächsten Kurve bremste er erst im allerletzten Moment ab. Doch er war zu schnell und konnte selbst in dieser extremen Schräglage nicht verhindern, dass ihn die rasende Geschwindigkeit weit über die durchgezogene Mittellinie der Straße hinaustrieb. Zum Glück kam ihm in diesem Moment kein Fahrzeug entgegen.
    Sein Puls raste, er zitterte am ganzen Körper.
    Mit weit aufgerissenen Augen blickte er hinüber zu seinen Mannschaftskameraden, die ihre Geschwindigkeit gedrosselt hatten und auf gleicher Höhe neben ihm herrollten. Sie grinsten ihm schadenfroh entgegen und forderten ihn mit Gesten auf, seinen ursprünglichen Platz in der Fahrerkette wieder einzunehmen.
    Ein Ruck ging durch Florians Körper. Kraftvoll trat er in die Pedale und nahm seine Position wieder ein. Diese Schmach wollte er nicht auf sich sitzen lassen.
    Jetzt zählt’s, feuerte er sich selbst an. Den Mistkerlen zeig ich’s jetzt. Von denen lasse ich mich nicht als unfähiges Weichei abstempeln.
    Auf der nun folgenden Geraden erhöhte er die Trittfrequenz und schoss auf die nächste Linkskurve zu. Sein extremer Antritt kam für die anderen so überraschend, dass sie ihm zunächst nur mit Mühe folgen konnten. Von der ersten Streckenrunde hatte Florian diese Kurve noch recht gut in Erinnerung. Sie war zwar eng, aber der Straßenbelag war sehr griffig und ermöglichte ein extrem spätes Bremsmanöver.
    Um den starken Zentrifugalkräften entgegenzuwirken, stellte er sein linkes Bein weit nach außen und legte sich in die Kurve. Parallel dazu betätigte er vorsichtig beide Bremshebel. Aber die Linkskurve war enger, als er vermutet hatte. Ohne über die Folgen nachzudenken, erhöhte er den Bremsdruck auf die Felgen. Das Hinterrad blockierte.
    Reflexartig löste Florian wieder die Bremsen. Er schlingerte, drohte zu stürzen. Doch wie durch ein Wunder schlitterte das Hinterrad an einen Bordstein, wodurch die Rennmaschine sich schlagartig stabilisierte. Erleichtert schnaufte er durch.
    Als er gerade das Gleichgewicht wiedergewonnen hatte, spürte er plötzlich an seiner linken Pobacke einen kräftigen Stoß. Dieser brachte ihn abermals aus dem Gleichgewicht und katapultierte ihn mitsamt seines Rennrads über die Leitplanke hinweg. Während er sich mehrfach überschlug, lösten sich die Schuhe von den Klick-Pedalen.
    Er stürzte über einen mit Felsen gespickten Abhang und landete kopfüber im Wellbach. Das eiskalte Wasser floss über sein Gesicht, Sekundenbruchteile später auch in seinen Mund. Reflexartig schluckte er.
    Dann war alles dunkel um ihn herum.

2. Etappe
     
    Im Innenhof der Wohnanlage fanden sich nacheinander alle Mitglieder der Großfamilie Tannenberg zum gemeinsamen Kaffeeklatsch ein. Marieke trug ihre kleine Tochter Emma auf dem Arm. Sie war gerade aus dem Mittagsschlaf erwacht und klammerte sich an den Hals ihrer Mutter.
    »Mein süßer Spatz ist wohl noch nicht richtig ausgeschlafen«, flüsterte Margot und streichelte sanft über Emmas nackte Wade.
    Trotzig warf die Kleine den Kopf herum und presste sich noch fester an ihre junge Mutter.
    Kurt, der bärenartige Familienhund, hatte sich zur Begrüßung der beiden erhoben und trottete zu ihnen hin. Marieke graulte ihm kurz den Kopf, dann schob sie ihn mit dem Knie beiseite.
    »Platz, Kurt«, befahl sie. »Emma braucht noch eine Weile ihre Ruhe.«
    Brummend verzog sich der imposante Mischlingshund und legte sich an der Gartenmauer ab.
    Marieke setzte sich neben Tobias. »Na, Bruderherz, was machen die Frauen?«
    »Themawechsel«, grinste Tobi. »Was macht dein neuer Nebenjob?«
    »Superinteressant.«
    Detaillierter konnte sie sich dazu nicht äußern, denn ihre Großmutter erschien mit Johanna von Hoheneck und verkündete lauthals: »So, Kinder, heute habe ich Wolfi einen Herzenswunsch erfüllt und zwei Erdbeerkuchen gebacken.«
    Mit strahlender Miene stellte sie einen Kuchen auf den Tisch. Hanne wartete einen Augenblick, dann platzierte sie den anderen direkt daneben.
    Als Wolfram Tannenberg den Kübel mit frisch aufgeschlagener Sahne entdeckte, den seine Lebensgefährtin aus der Küche mitgebracht hatte, begann er sofort, geräuschvoll zu schmatzen.
    Lächelnd betrachtete Marieke ihren Onkel, der nun auch noch genüsslich zu stöhnen anfing. Emma hatte inzwischen neugierig den Kopf zum Tisch hingedreht und schmatzte nun ebenfalls.
    Alle lachten, nur Jacob nicht. Ohne eine Miene zu verziehen, saß er an der Stirnseite des lang gezogenen Holztisches und schmökerte in
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