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Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall

Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall

Titel: Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall
Autoren: Bernd Franzinger
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befand sich für gewöhnlich in Begleitung seiner Ehefrau, einer ›arroganten Amischnepfe‹, wie Heiko Bolander sie wörtlich tituliert hatte. Die beiden waren offenbar ziemlich versnobt, bewohnten stets eine standesgemäße Luxussuite und ließen sich in angemieteten Luxuskarossen durch die Gegend chauffieren.
    Auch innerhalb des Fahrerteams dominierten die US-Amerikaner. Und zwar nicht nur zahlenmäßig, sondern auch bezüglich ihres Status innerhalb der Mannschaft. John Williams war der Teamkapitän und Spitzenfahrer für das Gesamtklassement der jeweiligen Rundfahrt. Ihm zur Seite stand Cliff Randolf, sein bester Freund und sogenannter Edelhelfer. Bei den beiden anderen amerikanischen Radsportlern handelte es sich um den amtierenden Zeitfahrweltmeister und einen sogenannten Sprinterkönig.
    Die Turbofood-Mannschaft komplettierten ein weiterer Deutscher, zwei Uskeben und ein Belgier – allesamt Wasserträger wie Florian selbst. Zudem nahmen drei osteuropäische Ersatzfahrer an dem Tour-de-France-Vorbereitungslager teil.
    Noch vor dem Mittagessen mussten alle Leistungssportler den ersten Teil eines medizinischen Check-ups durchlaufen, der im Fitnessraum des Hotels stattfand. Florian wunderte sich ein wenig darüber, dass kein anderer Rennfahrer dabei war, als er durchgecheckt wurde. Vom Juniorenbereich her kannte er ausschließlich Reihenuntersuchungen, die ähnlich abliefen wie die Musterungen für die Bundeswehr.
    Während ihm der Teamarzt Blut abzapfte, sondierte sein nervöser Blick Jenny, eine junge Physiotherapeutin. Sie saß am Schreibtisch und gab Daten in einen Laptop ein. Jenny war 24 Jahre alt, ein dunkler Typ mit adrettem Kurzhaarschnitt und ebenmäßigen, leicht asiatisch anmutenden Gesichtszügen. Die hautenge, sportliche Kleidung brachte ihre atemberaubende Figur derart aufreizend zur Geltung, dass Florians Augen magisch davon angezogen wurden. Als sie zu ihm herüberschaute, riss er blitzschnell den Blick von ihr los und betrachtete die Kanüle in seinem Arm, durch die sein Blut in einen Plastikbeutel floss.
    »Na, mein kleiner Flo, tut’s weh?«, rief sie keck.
    »Nee«, gab Florian betont lässig zurück.
    »Ich darf doch Flo sagen, oder?«
    »Logo«, antwortete der Jungprofi. Obwohl er versuchte, sich cool zu geben, spürte er, wie seine Wangen glühten.
    Dr. Schneider entfernte die Kanüle und legte einen Tupfer auf die winzige Einstichstelle. »Fest draufdrücken«, befahl er.
    Florian Scheuermann tat, wie ihm geheißen. Der Teamarzt nahm unterdessen ein bereitliegendes Pflaster vom Tisch, entfernte die Schutzfolie und klebte es Flo auf den Rücken.
    »Was ist das?«, fragte Florian ängstlich.
    »Nur ein bisschen Testosteron.«
    »Doping?«
    »Quatsch!«, zischte Dr. Schneider. »Doping wäre es nur dann, wenn diese minimale Hormonzufuhr den erlaubten Grenzwert überschreiten würde«, schob er in barschem Ton nach. Doch gleich darauf fügte er mit bedeutend sanfterer Stimme hinzu: »Wir optimieren lediglich deine genetische Grundausstattung, mein junger Freund. Du brauchst also nicht die geringste Angst zu haben.«
    »Ach so«, bemerkte Florian erleichtert.
    »Außerdem hat ein bisschen mehr Testosteron noch keinem richtigen Mann etwas geschadet«, meinte Jenny, während sie Dr. Schneider mit einem verschwörerischen Blick bedachte.
    »So ist es, mein süßes Kind«, erwiderte der Mediziner. Er tätschelte Florians muskulösen Oberschenkel. »Und du machst dir keine unnötigen Gedanken mehr. Du kannst dir hundertprozentig sicher sein, dass wir alle hier nur dein Bestes wollen. Vertraue uns einfach. Okay?« Er hielt ihm die Hand hin.
    »Okay«, sagte Florian und schlug ein.
    »So gefällst du mir schon bedeutend besser. Ich bin mir sicher, dass wir beide uns blendend verstehen werden. Du willst doch Erfolg haben, nicht wahr?«
    »Ja, natürlich.«
    »Dann musst du einfach nur das tun, was alle deine Radsportkollegen auch tun. Sonst hast du noch nicht einmal die allerkleinste Chance gegenüber deinen Konkurrenten. Denn wenn wir der Natur nicht ein wenig nachhelfen, bist du der Depp, nur du allein. Während die anderen die dicken Prämien kassieren. Und obwohl die meisten von ihnen schlechtere körperliche Voraussetzungen mitbringen als du, wärst du ihnen unterlegen. Wäre das nicht völlig ungerecht?«
    »Doch, sicher.«
    »Die anderen Fahrer zünden vor einem schweren Anstieg einfach ihre Turbos und«, zischend schleuderte er eine Hand nach außen, »wusch, sind sie weg. Weil sie noch
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