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Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall

Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall

Titel: Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall
Autoren: Bernd Franzinger
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seiner Zeitung. Doch urplötzlich kam Leben in den alten Mann.
    »Wolfram, geh mir mal deinen Taschenrechner holen«, forderte er in einem Ton, der keinerlei Widerspruch duldete.
    Aber Tannenberg reagierte nicht. Sein gieriger Blick bohrte sich immer tiefer in seinen Lieblingskuchen hinein, den Margot gerade anschnitt.
    »Gib mir ruhig ein richtig großes Stück«, bat er, während seine Augen immer größer wurden.
    »Wolfram«, knurrte der Senior. »Komm schon, ich brauch dringend einen Taschenrechner. Du bist ja gleich wieder zurück.«
    »Wozu denn?«, brummelte der Kriminalbeamte.
    »Frag nicht lange rum, tu deinem alten Vater einfach den Gefallen.«
    »Opa, ich hol dir meinen«, erklärte Tobias.
    »Danke, mein Junge.«
    Margot reichte ihrem Sohn den Teller. »Iss dich mal richtig satt, Wolfi. Falls die zwei nicht reichen, hab ich noch einen weiteren in der Küche.«
    »Danke, Mutter«, sagte Tannenberg und klatschte sich eine Riesenportion Schlagsahne auf das breite Erdbeerkuchenstück. Ohne die gefüllte Kaffeetasse auch nur anzurühren, stopfte er den Kuchen in sich hinein.
    »Iss doch nicht so hastig, Wolfi«, kommentierte seine Mutter mit vorwurfsvollem Unterton.
    »Wieso? Wenn’s schmeckt, schmeckt’s halt«, quittierte er die maßregelnden Blicke der ihn beobachtenden Frauen. Anschließend leckte er sich die Sahnereste von der Lippe und trank einen großen Schluck Kaffee.
    Schwägerin Betty stemmte die Hände in die Hüften und giftete: »Das kann man ja nicht mit anschauen. Du bist und bleibst eben ein Barbar.«
    Bevor Tannenberg dieser Attacke etwas Deftiges entgegensetzen konnte, kehrte Tobias zurück und überreichte seinem Großvater den gewünschten Taschenrechner.
    »Das ist wirklich sehr nett von dir, mein Lieber«, bedankte sich der Senior abermals bei seinem Enkel. Anschließend bedachte er seinen jüngsten Sohn mit einem abschätzigen Blick. »Daran kannst du dir eine Scheibe abschneiden, du Stoffel!«
    Tannenberg zeigte sich von diesem Rüffel äußerlich unbeeindruckt und hielt seiner Mutter den leeren Kuchenteller hin.
    »Bitte noch eins«, flehte er mit einem herzerweichenden Gesichtsausdruck. Während ihm Margot schmunzelnd ein weiteres Stück auf den Teller lud, legte ihr Sohn die Stirn in Falten und wandte sich an Jacob: »Was willst du denn überhaupt mit dem Ding?«
    »Etwas ausrechnen, was denn sonst?«, blaffte sein Vater.
    »Und was?«
    Wie ein Schüler, der seinen Nebenmann am Abschreiben hindern wollte, schirmte Jacob den nach seiner Meinung hochinteressanten Artikel mit der hohlen Hand vor neugierigen Blicken ab. Mit der anderen Hand nahm er den Taschenrechner entgegen und drehte den Oberkörper so, dass den anderen die Sicht auf das, was er tat, weitgehend versperrt blieb.
    Er legte den Kopf nachdenklich ins Genick und blickte brummend zum azurblauen Himmel empor. Dann hämmerte er geschäftig auf die Tastatur. Nach ein, zwei Minuten wandte er sich wieder seiner Familie zu und verkündete mit einem Mienenspiel, als ob er gerade im Lotto gewonnen hätte: »2219.«
    Mit offenen Mündern starrten ihn die Mitglieder der Großfamilie an.
    »Was, was ist denn das für eine komische Zahl«, wollte Betty wissen.
    »Nicht Zahl – Jahreszahl!«
    Während einige verständnislos den Kopf schüttelten, fütterte Marieke schmunzelnd ihre kleine Tochter mit einer Erdbeere.
    »Im Jahre 2219 haben wir es endlich geschafft«, legte der Senior grinsend nach. Doch urplötzlich veränderte sich sein Mienenspiel und sein Gesicht nahm einen bekümmerten Ausdruck an. Er schniefte. »Ich erlebe es ja leider nicht mehr.«
    »Ja, was ist denn 2219, Opa?«, fragte Tobias.
    »Im Jahre 2219 gibt es keinen einzigen Saarländer mehr.« Er klatschte in die Hände. »Juhu.«
    Tannenberg setzte die Kuchengabel ab und bedachte seinen Vater mit einem verständnislosen Blick. »Wie kommst du denn auf solch einen Quatsch?«
    »Das ist kein Quatsch«, zischte Jacob. Er tippte mit dem Zeigefinger auf die Zeitung. »Hier steht’s nämlich schwarz auf weiß: Die Zahl der Saarländer nimmt weiter dramatisch ab. Nach den aktuellen Prognosen des Statistischen Landesamtes wird es bis zum Jahr 2030 rund 100.000 Saarländer weniger geben als die derzeit 1.044.000 Einwohner des kleinsten deutschen Flächenstaates.« Freudig knetete er die Hände. »Und das heißt logischerweise nichts anderes, als dass irgendwann um das Jahr 2219 herum das Saarland völlig entvölkert sein wird.«
    Die meisten schmunzelten, Betty dagegen
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