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Leidenschaft der Nacht - 4

Leidenschaft der Nacht - 4

Titel: Leidenschaft der Nacht - 4
Autoren: Kathryn Smith
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anderer Erinnerungen, die sie zu gern auf ewig abgeschüttelt hätte. Sie dachte daran, wie seine Finger gezittert hatten, als er ihr den Ehering ansteckte. Sie erinnerte sich, dass sie fest geglaubt hatte, er würde sie lieben. Und das Schlimmste war die Erinnerung daran, dass sie ihn geliebt hatte.
    Verdrossen hatte sie sich angekleidet, frisiert und eine Kutsche zu Reigns Haus am Belgrave Square genommen, wo man ihr mitteilte, dass er heute Abend ausgegangen war. Reign hatte sich stets gern in Gesellschaft bewegt. Wie er ihr einmal erklärte, erinnerte ihn das Zusammensein mit Menschen an seine eigene Menschlichkeit.
    Zudem machte es das Nähren um so vieles leichter, sagte Olivia sich verbittert.
    Ihr Glück war, dass Reigns Kammerdiener zufällig dazukam, als der Butler ihr die Tür vor der Nase zuschlagen wollte, und sie erkannte. Clarke war erst ein junger Bursche in James’ Alter gewesen, als sie sich zuletzt gesehen hatten, und nun ein Mann von fünfzig Jahren. Er traute ihr nicht, ahnte jedoch, dass es wichtig sein musste, wenn sie nach Reign suchte, und deshalb erzählte er ihr, wo sein Herr sich aufhielt. Olivia hätte bei ihm warten können, bis Reign zurückkam, aber dazu fehlte ihr die Geduld. Überdies war deutlich zu spüren, wie wenig sie willkommen war. Und vor allem wollte sie alles hinter sich bringen, solange sie wild entschlossen war.
    Es war nicht richtig, Reign gegen James auszutauschen, doch sie würde es tun.
    Natürlich durfte sie Reign nicht die Wahrheit sagen. Er hatte ihr ja bereits auf die schlimmste Weise bewiesen, dass sie ihm nicht vertrauen konnte, und nichts garantierte ihr, dass er die Forderung der Entführer um eines Jungen willen erfüllte, den er gar nicht kannte.
    Nein, er sollte lieber denken, dass sie in seiner Schuld stand. Sie musste ihn glauben machen, er wäre derjenige, der die Situation kontrollierte. Olivia weigerte sich, darüber nachzudenken, was die Schurken mit ihm vorhatten, und redete sich wieder und wieder ein, dass er unbesiegbar war. Wahrscheinlich hatte er jene Leute in der Vergangenheit auch schon betrogen. Solche Gedanken befeuerten ihre Wut.
    Ohne Reign wäre James jetzt nicht in Gefahr. Das durfte sie nie vergessen. Und James wäre wieder sicher, sobald sie ihnen Reign brachte.
    Sie hasste es, zu ihm zu gehen, hasste es, sich ein elegantes Kleid anzuziehen und Rouge aufzulegen. Das Einzige, was ihr an ihrem Äußeren gefiel, waren die Ohrringe.
    Sie hatte sie selbst gemacht. Als sie sie fertigte, hatte sie weder an diesen Abend noch an Reign gedacht. Ihr Kleid war pflaumenblau, eine Farbe, die er an ihr immer besonders gemocht hatte. Der edle Stoff fühlte sich in der Sommerhitze klebrig an.
    Sie standen einander gegenüber und sahen sich an, wie es Gegner taten, um den anderen einzuschätzen. Reign sah älter aus, was natürlich unmöglich war, aber dennoch zutraf. Seine Augen, die einst so leuchtend und kristallklar gewesen waren, wirkten blass und grau. Seinen Mund, schmal mit wohlgeformten Lippen, kennzeichnete in diesem Augenblick ein verbitterter Zug. Das Haar trug er der Mode entsprechend. Es war länger, als Olivia es in Erinnerung hatte, und seine schwarzen Locken hingen ihm leicht in die Stirn. Dieser Stil passte gut zu ihm, ließ seine kantigen Wangenknochen, sein Kinn und die vor Jahrhunderten mehr als ein Mal gebrochene Nase weicher erscheinen.
    Gefühle veränderten sein Gesicht so leicht. Olivia entsann sich, wie atemberaubend schön er sein konnte, wenn er lächelte, und wie es einem das Herz brach, ihn traurig zu sehen. Ach ja, und nicht zu vergessen, wie beängstigend er aussehen konnte, wenn er wollte.

    Letzteres war offenbar heute Abend seine Absicht, denn er betrachtete sie mit einer Mischung aus Verlangen und Feindseligkeit, die ihr Angst einflößte und sie erregte, während sie zugleich ihre Wut mehrte. Wie konnte er es wagen, sie anzusehen, als wäre sie diejenige gewesen, die ihre Ehe ruinierte? Schließlich hatte er sie betrogen.
    Sie war lediglich gegangen.
    Einzig die Tatsache, dass sie nach wie vor überzeugt war, richtig gehandelt zu haben, gab ihr die Kraft, endlich etwas zu sagen. Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie bereits schweigend in diesem Salon standen. »Guten Abend, Reign.«
    Er rührte sich nicht, blinzelte nicht einmal. »Was machst du hier?« Seine tiefe Stimme jagte ihr Schauer über den Rücken, und unweigerlich dachte sie an Nächte, in denen sie ihren Kopf an seinen Schenkel gelehnt hatte, während er
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