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Lehrer-Deutsch - Deutsch-Lehrer

Lehrer-Deutsch - Deutsch-Lehrer

Titel: Lehrer-Deutsch - Deutsch-Lehrer
Autoren: Hans Klaffl
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vorsichtige Herantasten an eine Sache, ohne recht zu wissen, wo es hingehen soll, das kennen Lehrer natürlich schon lange, nur nannte man das früher „unvorbereiteten Unterricht“. Und der war schon immer mit totalem Medieneinsatz verbunden: „Sieh mal nach, ob der Fernsehraum frei ist. Dann schauen wir ‚Der Weiße Hai‘ an. Das passt sehr gut, weil wir heute die menschlichen Gliedmaßen besprechen sollten.“
    Es soll hier keinesfalls den guten alten Zeiten nachgetrauert werden, in denen man die Medien noch buchstäblich im Griff hatte. Aber handgekurbelte Matrizenabzüge, die, wennsie frisch von der Rolle kamen, dem Lehrer von gierig schnüffelnden Kindern aus der Hand gerissen wurden, hatten durchaus ihren Reiz. Technisch konnte man nicht viel falsch machen und manche Kollegen glaubten wirklich, es sei der Inhalt der Arbeitsblätter, nach dem die Schüler lechzten. Dabei war die Frage „Wann bekommen wir wieder ein Arbeitsblatt?“ ein ganz profanes Symptom von Alkoholentzug.
    Die mediendidaktische Neuzeit begann mit der Einführung der allgemeinen Kopierpflicht Anfang der 80er-Jahre. Damals waren die Geräte noch so langsam, dass man die Vorlage während des Kopierens verändern konnte. Und der Kopierraum entwickelte sich dadurch zum eigentlichen Kommunikationszentrum des Kollegiums: Ganze Nachmittage verbrachte man dort plaudernd, während der Kopierer mühsam eine Kopie nach der anderen herausächzte. Gleichzeitig stiegen einige wenige Kollegen wegen ihrer Fähigkeit, die regelmäßigen Papierstaus zu beseitigen, erheblich in der kollegialen Hierarchie nach oben.
    Heutzutage ist immer noch nicht jeder Kollege in der Lage, die Kopiervorlage so einzulegen, dass tatsächlich das kopiert wird, was er haben will. Immer wieder sieht man Menschen verzweifelt auf das Gerät einhämmern: „Aufhören! Stopp! Das ist nicht das, was ich will!“ Bis zur Entdeckung der Stopptaste ist dann locker ein Quadratmeter Regenwald vernichtet. Besonders interessant sind hierbei Vergrößerungen. Umfangreiche Papierbahnen wälzen sich aus dem Gerät, auf denen sich irgendwo in einem Eck ein Teil der Vorlage befindet. Sehr groß, aber unvollständig.
    Allerdings nutzen die meisten Kollegen sowieso viel lieber die Verkleinerungstaste. Texte, die sie selbst aufgrund ihres Alters schon im Original nicht mehr lesen können, werden dreimal verkleinert, um den Lehrstoff wenigstens optisch zu reduzieren. Mit jeder Verkleinerung sinkt nämlich die gefühlte Menge des Lehrstoffs auf 70 Prozent. Das ist die Anwendung des Goldenen Schnitts auf die Didaktik. Heftet der Schüler dann ein solches Blatt ab, fehlen ihm allein schon wegen der Lochungen zwei komplette Kapitel.
    Ein großer Vorteil des Kopierers ist außerdem, dass man damit Folien für den Overheadprojektor erstellen kann. Zwar führt das gerne mal zum Totalschaden, weil der mit zahlreichen roten Ausrufungszeichen versehene Hinweis „Kopierfolien immer mit der Oberseite nach unten einlegen“, den ein verzweifelter Kollege angebracht hat, nicht weiter hilfreich ist. Wie soll man auch sehen, wo bei einer durchsichtigen Folie oben oder unten ist? Gelingt aber so eine Folie, dann schlägt sie die bisher handgeschriebenen um Längen. Denn diese sind im Laufe der Jahre so verwischt, dass damit allenfalls der Kunsterzieher den Impressionismus erklären kann.
    Mit der Overheadfolie sind wir wieder bei den sogenannten Frontmedien, also denen, die in Gegenwart der Schüler funk­tionieren sollen. Das ist hier kein größeres Problem, da es ­eigentlich nur drei Möglichkeiten gibt, die Folie falsch aufzu­legen. Geschickte Kollegen bringen es aber auch auf sieben Möglichkeiten (ausprobieren, es geht!) – die senkrechte Verwendung noch nicht mitgerechnet. Die Bezeichnung „Overhead“ kommt wahrscheinlich daher, dass das richtige Auflegen der Folie für manchen Kollegen einfach zu hoch ist.
    Dann kam PowerPoint – die Fortsetzung des Frontalunterrichts mit verschärften Mitteln. Jetzt kann man nicht nur verkleinern, sondern gleichzeitig auch noch beschleunigen, bis der Schulpsychologe kommt. Es ist ein unbeschreibliches Erfolgserlebnis für den Lehrer, wenn der erste Gliederungspunkt aus dem Hintergrund hereingezoomt kommt, sich zweimal überschlägt, im Zickzack über die Leinwand rast, sich zudem um sich selbst dreht, kurz aufbläht, wieder zusammensackt, schließlich an seinen endgültigen Platz hoppelt und dort noch drei- bis viermal nachwippt. Nach ungefähr einer Minute kommt
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