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Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)

Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)

Titel: Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)
Autoren: Marie Lu
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seine Stimme aber klingt freundlich, als er die Handflächen zusammenlegt und sich die Fingerspitzen an die Lippen presst. »Weil du unsere Hilfe brauchst. Korrekt?«
    Tja, dem kann ich wohl kaum widersprechen. »Tut mir leid. Uns gehen langsam die Möglichkeiten aus. Aber glaub mir, ich könnte es verstehen, wenn ihr uns eine Abfuhr gebt. Nur bitte nicht direkt in den nächsten Republikknast.« Ich ringe mir ein Lächeln ab.
    Mein verzweifeltes Witzchen bringt ihn zum Schmunzeln. Ich starre auf seine schiefe Nase und frage mich, ob sie einmal gebrochen gewesen ist. »Zuerst habe ich mit dem Gedanken gespielt, euch einfach durch Vegas irren zu lassen, bis sie euch schnappen«, gibt er dann zu. Seine Stimme ist so glatt wie die eines Aristokraten, kultiviert und charismatisch. »Ich will ganz offen zu dir sein. Deine Fähigkeiten sind für mich nicht mehr so attraktiv, wie sie es einmal gewesen sind, Day. Über die Jahre haben wir andere Melder gefunden – und um die Wahrheit zu sagen, haben Neuzugänge für unser Team im Augenblick nicht oberste Priorität. Deine Freundin dürfte wissen«, er hält inne und nickt June zu, »dass die Patrioten nicht dafür bekannt sind, Almosen zu verteilen. Du verlangst eine ganze Menge von uns. Was bietest du uns als Gegenleistung? Viel Geld kannst du ja nicht bei dir haben.«
    June wirft mir einen vielsagenden Blick zu.
    Na schön, genau das hier hat sie während der Zugfahrt vorhergesagt, aber ich kann jetzt unmöglich aufgeben. Wenn die Patrioten uns ihre Hilfe verweigern, stehen wir absolut allein da. »Nein, wir haben nicht viel Geld«, gebe ich zu. »Ich kann nicht für June sprechen, aber wenn es eine Möglichkeit gibt – irgendeine –, mich für eure Hilfe erkenntlich zu zeigen, braucht ihr es nur zu sagen.«
    Razor verschränkt die Arme und schlendert dann zur Bar des Apartments hinüber, einer aufwendig gearbeiteten, in die Wand eingelassenen Granittheke, die Dutzende von Glasflaschen in allen Formen und Größen bereithält. Seelenruhig schenkt er sich einen Drink ein; wir warten. Als er fertig ist, nimmt er das Glas und kommt wieder zu uns. »Es gibt tatsächlich etwas, das du für uns tun könntest«, beginnt er. »Du hast Glück, an einem ziemlich … nun ja, sagen wir interessanten Abend hier aufgetaucht zu sein.« Er nimmt einen Schluck von seinem Drink und setzt sich auf die Couch. »Wie du vermutlich schon auf der Straße erfahren hast, ist heute unser ehrwürdiger Elektor gestorben, was man in den elitären Kreisen der Republik schon seit einiger Zeit vorausgesehen hat. Jedenfalls ist nun sein Sohn, Anden, der neue Elektor. Er ist praktisch noch ein Kind und die Senatoren seines Vaters sehen ihn gar nicht gern in diesem Amt.« Er beugt sich vor und spricht seine nächsten Worte langsam und überdeutlich aus. »Die Republik ist noch nie so verwundbar gewesen wie in diesem Moment. Deine körperlichen Fähigkeiten mögen für uns vielleicht nicht mehr von Interesse sein, aber es gibt zwei Dinge, die du allen anderen Meldern voraushast. Erstens: deine Berühmtheit, deinen Status als Kämpfer für das Volk. Und zweitens«, er deutet mit seinem Glas auf June, »deine entzückende Freundin.«
    Mein Körper versteift sich bei diesen Worten, doch Razors Augen sind so warm wie flüssiger Honig und ich stelle fest, dass ich bereitwillig auf den Rest seines Angebots warte.
    »Ich würde mich freuen, euch beide an Bord zu haben, und ihr könnt sicher sein, dass man sich gut um euch kümmern wird. Day, wir könnten dir den besten Arzt beschaffen und dir eine Behandlung bezahlen, nach der dein Bein so gut wie neu ist – nein, sogar besser als neu. Über deinen Bruder habe ich keine Informationen, aber wir können dir helfen, ihn zu finden, und irgendwann können wir euch beiden eine Flucht in die Kolonien ermöglichen, wenn ihr das wollt. Als Gegenleistung verlangen wir, dass ihr uns bei einem neuen Projekt unterstützt. Sonst nichts. Aber ihr werdet beide eure Treue zu den Patrioten schwören müssen, bevor ihr Näheres darüber erfahrt. Das sind meine Bedingungen. Was sagt ihr?«
    June blickt von mir zu Razor. Dann hebt sie ihr Kinn. »Ich bin dabei. Ich werde den Patrioten meine Treue schwören.« Ein winziges Zittern stiehlt sich in ihre Stimme, so als wüsste sie, dass sie damit der Republik endgültig den Rücken kehrt.
    Ich schlucke. Dass sie so schnell einwilligen würde, hatte ich nicht erwartet – eher, dass eine ganze Menge Überzeugungsarbeit nötig sein
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