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Leg los alter Sack

Leg los alter Sack

Titel: Leg los alter Sack
Autoren: Kester Schlenz
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nicht so weit. Vor allem fehlten ihm die Zähne, die man braucht, um zum Beispiel den Satz »Saubere Soßen pfeifen Samba« zu sagen. Wiederholt das mal, dann werdet ihr sehen, dass man für diesen Satz Zähne braucht.
    Im Alter von zehn Monaten und als stolzer Besitzer einiger Zähne beschloss Pumbeck, dass es nun an der Zeit sei, sich ins Gespräch einzubringen.
    Er begann zu sprechen. Einfach so.
    Aber er sagte nicht »Mama«, »Adda adda« oder »Bubba« wie andere Kinder in seinem Alter. Nein, Pumbeck sprach sofort in ganzen Sätzen. Und sein erster war dieser: »Mutter, ich hätte jetzt doch recht
gern ein Glas frisch gepressten Orangensaft.« Maria Knittel fiel vor Schreck eine Schüssel mit Orangen aus der Hand. Die Schüssel zerbrach in tausend Teile, und die Orangen kullerten in der Küche herum. »Mmmh, interessant«, murmelte Pumbeck und runzelte die kleine, dicke Stirn. »Warum rollen Orangen, nachdem sie auf die Erde gefallen sind? Warum blieben sie nicht einfach liegen? Das muss mir mal einer sagen.«

    Ja, Pumbeck war schon ein sehr ungewöhnliches Kind.
    Als er ein Jahr alt war, begann Pumbeck zu laufen und fragte seine Eltern, ob er den Führerschein machen könne. Maria und Horst Knittel mussten zu ihrem größten Bedauern verneinen. Dies ginge leider erst mit 18 Jahren. Sie schlugen ihrem schlauen Sohn ungern etwas ab, weil er sie dann stets in endlose Diskussionen verstrickte oder drohte, das Jugendamt einzuschalten. Im Allgemeinen jedoch verstanden sich Pumbeck und seine Eltern prima. Das Einzige, was sie manchmal etwa anstrengend fanden mit ihrem Sohn, war, dass er ständig etwas wissen wollte. Man sagt in so einem Falle ja, jemand frage anderen ein Loch in den Bauch; Pumbeck fragte seinen Eltern eine Grube, ach was, einen Vulkankrater in den Bauch. »Wie weit ist der Mond weg?«, piepste er. »Warum trage ich kein Halsband?« »Wo läuft das Wasser hin, wenn ich den Stöpsel aus der Badewanne ziehe?« »Warum ist die Erde eine Kugel?« »Können Esel lügen?« »Wer hat die Welt gebaut?« »Kann man Geräusche einsperren?« »Ist Dummheit eine ansteckende Krankheit?«
    Oft saß er in seinem Zimmer und dachte einfach nur nach.
    Manchmal dachte er so laut nach, dass es sogar ein wenig aus seinem Kopf heraus brummte.
    Eines Tages nahm Pumbeck sich ein Buch aus dem Regal und murmelte: »Wollen doch mal sehen, was diese Zeichen zu bedeuten haben.« Dann runzelte er die Stirn in der schon bekannten Art und Weise, ließ sich von seinen Eltern erklären, welcher Buchstabe für welchen Laut stand, und lernte so in zwei Stunden lesen.
    »Ich begrüße das sehr«, sagte er anschließend und hüpfte zu seiner
Mutter auf den Schoß. »Ich weiß, dass ihr beiden euch Mühe gebt. Aber nun kann ich mir mit Hilfe dieser gedruckten Werke einen Großteil meiner Fragen wohl selbst beantworten.«
    Dann hielt er inne, dachte kurz und heftig nach und sagte: »Und wenn ich es richtig betrachte, wird es nicht von Nachteil sein, wenn ich auch selber lerne, diese lautsymbolisierenden Zeichen zu produzieren. «
    Also nahm er sich einen Bleistift und ein Blatt Papier und brachte sich unter heftigem Stirnrunzeln und sehr lautem Gehirnbrummen das Schreiben bei. Sein erster selbstverfasster Satz (selbstverständlich fehlerfrei) lautete: »Ich wünsche mir von meinen Eltern – die übrigens schwer in Ordnung sind – ein 24-bändiges Lexikon, welches aber auf dem neuesten Stand der Wissenschaft sein muss.« Tatsächlich bekam er bald so ein Lexikon, und eine Woche später schrieb Pumbeck kleine, kritische Abhandlungen über Atomphysik und Quantentheorie auf Klopapier. Warum er kein normales Papier nahm? Eine gute Frage, die Pumbeck wie folgt beantwortete: »Die Vorläufigkeit meiner Gedanken verbietet mir die Benutzung des teuren Schreibpapiers. Ich lerne ja noch, und wenn ich mich irre, kann ich die niedergeschriebenen Irrtümer eins-fix-drei im Klo runterspülen. «

    Ihr seht, Pumbeck war nicht nur schlau, er konnte auch recht witzig sein.
    Er las viel, und wenn er spielte, spielte er stets Wissenschaftler. Dazu baute er sich in seinem Zimmer mit seinem Vater zusammen ein Laboratorium mit einem Tisch und einigen Apparaten auf. Darin stand er dann zwischen Reagenzgläsern und einer ausgemusterten Kaffeemaschine in einem weißen Kittel und murmelte irgendwelche Formeln.
    Er wünschte sich Bücher über Chemie und Physik. Die bekam er. Er wünschte sich eine echte Laborausrüstung. Die bekam er auch – aber erst zu seinem
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