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Lebenslauf zweiter Absatz

Lebenslauf zweiter Absatz

Titel: Lebenslauf zweiter Absatz
Autoren: Hermann Kant
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trat einen Schritt zurück und eine Stufe der Treppe hinauf, um mir gerade in die Augen starren zu können, dann fragte er fast sanft: »Sie haben Bildung genossen?«
    »Ist das jetzt relevant?« fragte ich zurück und zog dabei die Augenbrauen so hoch, daß mir geradezu anzusehen war, welch eine piekfeine Bildung ich genossen hatte.
    Aus meiner Brust aber flog ein Segensspruch jenemFleischerlehrling nach, von dem ich vor langer Zeit ein Fremdwörterbuch gegen einen alten Akku eingehandelt hatte. Das Buch war immer scharfer Konkurrent von Edgar Wallace, und wenn es mich überkam und ich daheim in der Küche mit meinen Lesefrüchten aufwartete, bedurfte es erst eines Machtwortes meiner Mutter, daß ich dem »karierten Gefasel« ein Ende setzte.
    O purer Jammer, daß sie jetzt nicht des Herrn Buttewegg Gesicht sehen konnte; sie hätte mir wohl gar verziehen, daß ich fast die ganze Nacht noch über dem gebildeten Buch gehockt und ein tüchtiges Loch in die monatliche Stromration gebrannt hatte.
    Nun jedoch galt es, dem angeschlagenen Hausherrn zu beweisen, daß ich nicht nur ein Spezialist für Fremdwörter, sondern auch ein solcher für Kurzschlüsse war. Dabei folgte ich weniger meinen eigenen Eingebungen als denen meines Meisters.
    »Junge«, hatte er gesagt, »die anderen haben sich fast dämlich an diesem Kurzschluß verdient, und ich möchte es auch gerne. Aber wie die Dinge liegen, kann ich ihm keine siebenköpfige Monteurmeute auf den Hals schicken, um dann nachher die Stunden mit sieben zu multiplizieren. Ich kann nicht einmal selbst hingehen, du weißt, die Gicht … Ich denke mir aber, wir werden das Verfahren der Herren Kollegen umkehren. Also, paß auf …«
    Herr Buttewegg hörte mir aufmerksam zu, als ich ihm erzählte, ich gedächte, ein neuartiges invertiertes Suchverfahren anzuwenden; die Sache sei zwar nicht die billigste, jedoch die einzige, von der noch ein Erfolg zu erwarten sei. Dabei holte ich aus meiner Tasche ein großes Heft mit Millimeterpapier, mehrere Farbstifte und ein Kurvenlineal. Dazu legte ich ein dickleibiges Druckwerk,auf dessen Schutzumschlag »Elektrotechnisches Handbuch« zu lesen stand.
    Theodor Buttewegg vergaß seine ganze Bildung und sagte schlicht: »Die Sache scheint ja Schick zu haben.«
    »Hat sie«, bestätigte ich und erklärte ihm, ich bedürfe nunmehr lediglich einer großen Menge Zeit, und von ihm würde nichts weiter als eine ebenso große Portion Geduld erwartet.
    Hiernach sagte er, ich solle mich in seinem Hause wie in dem meinen fühlen, und wenn es bis Ostern dauere, Hauptsache, dieser Alp verschwinde aus seiner Heimstatt …
    Ich fragte ihn, ob es irgendwo einen Raum gebe, in dem ich ungestört meinen Beobachtungen nachgehen könne, und er sagte, wenn auch nach leisem Zögern, da komme wohl nur sein Studierzimmer in Frage; seine aufreibende Tätigkeit hindere ihn seit langem schon, es zu benutzen.
    Das wollte ich gern glauben. Ich bat ihn, der Haushälterin mitzuteilen, wo ich zu den Mahlzeiten zu finden sei, dann brachte ich meine Sachen in den verstaubten Raum, der jedoch wohltuend warm war.
    Ganz sicher würde ich mich hier nicht zu Tode rackern, aber unangenehm blieb der Auftrag nach wie vor.
    Da ich einen Schaltplan von der Hausanlage zeichnen wollte, mußte ich mich wohl oder übel auf einen Rundgang machen. Ich nahm mein Notizbuch und ging zum Boden hinauf. Da war nicht viel zu zeichnen, und ich war bald wieder im ersten Stock des Hauses.
    Ich klopfte an die nächste beste Tür auf dem Korridor, hörte aber statt einer Antwort nur ein merkwürdiges Rascheln. Mir ahnte, daß hier die menschenscheue Spritbrennergattinhauste, und ich machte mich auf einiges gefaßt, als ich die Klinke herabdrückte.
    Als ich einen Blick in das Zimmer geworfen hatte, schloß ich die Tür erst einmal rasch wieder. Was sich mir da durch den kleinen Spalt entgegengeworfen hatte, war kein wildes Tier gewesen, es war nur, um es philosophisch auszudrücken, der reine Gestank, Gestank an sich.
    Doch auch die Augen hatten zu tun gehabt; ich meinte, inmitten des düsteren Raumes einen Hügel erblickt zu haben und darinnen ein spitzes weißes Gesicht mit irr kreisenden Augen.
    Diese einfallslosen Märchenerzähler, dachte ich, während ich atemholend an der Tür lehnte, reden von feuerspeienden Drachen, als ob das schon etwas wäre, aber dann flüsterte ich mir Mut zu, denn ich sagte mir, daß der ganze Schaltplan nichts taugte, wenn ich auch nur ein Zimmer ausließe.
    Ich hielt mir
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