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Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)

Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)

Titel: Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)
Autoren: Bastian Bielendorfer
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ist es gelaufen?«, fragte Patrick und beantwortete sich die Frage mit einem Blick in mein Gesicht selbst. Er drückte mich wortlos an sich. Er hatte wohl schon geahnt, was mir jetzt erst klar geworden war: Mein ganzes Geständnis war von Anfang an ein Himmelfahrtskommando gewesen.
    »Nicht schlimm«, schluchzte ich und sah über Patricks Schulter Hannas Rücken, der wieder mit Mais Hand verziert war, die rhythmisch auf und ab strich.
    Jetzt fing ich wieder bei null an, nach der Pleite mit Ashley hatte ich meine ganzen Liebeshoffnungen in Hanna gesetzt, und auch das war nun innerhalb weniger Augenblicke auseinandergebröckelt. Patrick sagte immer noch nichts, es gab aber auch nichts zu sagen, was meine Enttäuschung gelindert hätte, obwohl …
    »Komm, wir besaufen uns«, sagte Patrick und klopfte mir grinsend auf den Rücken. Er hatte wirklich ein Talent, immer das Richtige zu sagen, wenn er sich mal zwang, überhaupt zu sprechen, dachte ich und ließ ein Lächeln über mein gerötetes Gesicht huschen.
    Wenige Minuten später hatten wir schon eine halbe Flasche Tequila intus, den wir aber pflichtbewusst mit einer stetigen Zufuhr von Bier verdünnten. Es wurde Limbo getanzt, Patrick und ich versuchten uns mehrmals halbwegs koordiniert unter der Stange durchzuschlängeln und räumten bei jedem Anlauf mindestens einen Tisch voller Getränke ab. Dann führte ich eine peinliche Choreografie zu »Son of a Preacher Man« vor, wobei ich den Text immer durch »Son of a Teacher Man« ersetzte und die anderen Partygäste wahllos mit Salzstangen bewarf, was diese nicht halb so lustig fanden wie ich. Als Hanna und Mai dann noch wild auf der Tanzfläche herumknutschten, warf ich eine ganze Schale voll Salzstangen auf die beiden, bevor mich Patrick aus der Tür an die frische Luft ziehen konnte.
    »Alter, hör auf damit, die ist es nicht wert!«, schrie er mich an. »Was willst du eigentlich noch von der? Trau dich doch endlich mal was, bevor du alt und schimmelig bist! Meine Mutter rödelt jeden Tag zwölf Stunden, um uns durchzubringen, die hat das Träumen schon längst verlernt. Hanna ist ein irrer Klon ihres Vaters, und du? Du stehst hier, eine ganze Welt voller Leben wartet nur auf dich, und du flennst rum?«
    Dann entschied er, nachdem er den längsten Redebeitrag unserer ganzen Freundschaft absolviert hatte, dass es angemessen wäre, mich am Arm zu packen, und auf das Geländer der Reling zu steigen.
    Die MS Loretta wurde innerhalb eines Augenblicks von einem Boot zu einem Berg, die schwarze Wasseroberfläche gab keinen Anhaltspunkt, wie weit unter uns sie lag, ich konnte spüren, wie meine Beine schwach wurden, und diesmal war es eindeutig nicht das Haschisch.
    »Komm schon«, sagte Patrick und drückte meine Hand.
    »Ich kann nicht«, stotterte ich und starrte stoisch in den Abgrund.
    Über Jahre hatte ich mir etwas vorgemacht, hatte mir mit Hanna ein Ziel gesetzt, das ich nie erreichen konnte und das sich dann noch als Sackgasse herausstellte. Alles, worauf ich so lange gehofft hatte, war innerhalb weniger Sekunden in sich zusammengestürzt und hatte mich unter sich begraben.
    Und nun stand ich auf diesem verdammten Schiff, und eine Armlänge vor mir lag das Nichts.
    Plötzlich sah ich das Transformatorhäuschen vor mir, die Fahnenstange, das lachende Gesicht Gökhan Mutlus, Ashley, Taylor, die Familie Connor, die Lokosimovs. Mein ganzer Lebensweg hatte mich hierhergeführt, auf dieses Geländer. All diese Klassenfahrten waren Reisen zu mir selbst gewesen.
    Dann sah ich das Gesicht meines Vaters, doch anders als sonst legte er nicht zweifelnd seine Stirn in Falten, sondern lächelte mich an.
    Ich atmete tief ein und sprang.
    Patrick hatte recht gehabt. Eine ganze Welt voller Leben wartete auf uns.
    Wenn unsere Unterhosen wieder trocken waren.

Bonustrack
Oder: Elternsprechtag vor der ganzen Nation
    »Und nun kommen wir zur Achttausend-Euro-Frage«, schnurrte Günther Jauch routiniert. Die Scheinwerfer der Studiolampen kreisten einmal mehr über dem Publikum und beschienen mein angespannt dreinblickendes Gesicht.
    Ich schob meinen Scheitel zur Seite und trank einen Schluck Wasser. Eigentlich müsste ich schon die gesamten Mineralwasserreserven von RTL leer gesoffen haben, weil ich vor, bei und nach jeder Frage zum Wasserglas griff. Ich tat das nicht aufgrund meines unstillbaren Dursts, sondern als eine Art Übersprungshandlung, während Jauch mich mit seinen Augen analysierte und überlegte, in welche der
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