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Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)

Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)

Titel: Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)
Autoren: Bastian Bielendorfer
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Muffins hervor, die eben noch ein geometrisches Gesamtkunstwerk auf Tresenheinis Anrichte gebildet hatten.
    Meine Jugendliebe war nicht nur irre, sie war auch noch eine Diebin, dachte ich und schwieg lieber.

Minutes to Midnight
    In gebackener Form schmeckte das Zeug erheblich besser, als wenn man es rauchte, außerdem musste keiner den Hustenreiz unterdrücken.
    »Ein bisschen wie Petersilie«, sagte Mona Bauerfeind und mampfte auf einem Stück des Gebäcks herum, als müsste man es erst noch umbringen.
    Hanna nestelte mit aufgerissenen Augen an dem Küchlein herum, sie verströmte eine eigenartige Ruhelosigkeit, die sich eindeutig nicht mit unserer kollektiven Bettschwere vertrug.
    »Oh, schaut mal, Süßigkeiten!«, brüllte sie und rannte in ein gegenüberliegendes Ladengeschäft, in denen sich geradezu abstruse Berge aus Sahneteilchen, Puddingbrezeln und glasierten Kirschkalorienbomben auftürmten. Alles beschienen von einer Unzahl an Leuchtstoffröhren, die die Auslegeware mit einem Glühen überzogen, das in starkem Kontrast zu der pakistanischen Bedienung stand, die mit ihren tiefen Augenringen und der ins gelbliche gehenden Hautfarbe eher bedrückend wirkte. Die Stadtplanung von Amsterdam hatte wohl vorgeschrieben, dass gegenüber jedem Coffeeshop mindestens ein pakistanischer Zuckerbäcker postiert werden musste, damit die schmachtenden Konsumenten sich sofort nach dem Rauchen mit kiloweise pappsüßem Krams zu Mondpreisen vollstopfen konnten, um zumindest den ersten Fressanfall zu befriedigen. Hanna nahm einen Staubsaugerbeutel voller Sahne, Patrick eine Puddingbrezel mit Schokoladenkruste und Mona von beidem gleich zwei. Mir wurde fast schlecht, ich winkte ab. Wir setzten uns an einen vollgekrümelten Metalltisch, dessen Oberfläche gerade mit einem alten gelben Lappen halbherzig abgewischt wurde.
    »Was machen wir jetzt?«, wiederholte Hanna ihre Frage aufgekratzt. Sie hatte augenscheinlich nicht vor, die von ihrem Vater verordnete Sperrstunde zu befolgen.
    Ich wollte gerade wieder mit meiner Litanei übers Nachhausegehen beginnen, da erklang vom Tisch hinter mir ein lang gezogenes »Doitsland?«. Ich drehte mich um und sah zwei Jungs, beide mit kurz rasierten Haaren und nicht von der Sonne, sondern von der Herkunft gebräunter Haut. Der eine lächelte uns mit makellos weißen Zähnen an und fragte erneut: »Doitsland?« Er war sehr gut aussehend, Marke Surfertyp, unter seinem weißen T-Shirt zeichnete sich ein bewundernswert durchtrainierter Oberkörper ab, und er trug trotz der Abendkühle nur Flipflops. Sein Kumpel war noch breiter, etwas schwerfälliger und trug immerhin einen Kapuzenpulli, aus dem er uns recht ausdruckslos aus seinen dunkelbraunen Augen ansah.
    Wir nickten alle, und als hätten wir damit eine offizielle Einladung ausgesprochen, sprang der lächelnde Junge auf und reichte uns die Hand. Um seinen Arm schlängelte sich ein Muster aus schwarzen Vierecken, das sich deutlich von seiner glänzenden Haut abhob. Er stellte sich als Mai vor, sein Kollege, der gerade beherzt in einen Donut biss, hieß Dan, mit Betonung auf dem »a«.
    »Von wo Doitsland?«, radebrechte Mai und legte seine linke Hand auf unseren Tisch, während der andere fragend in meine Richtung zeigte.
    »Gelsenkirchen«, murrte ich etwas ziellos und nahm ein Stück von Patricks Brezel, nur um etwas in der Hand zu haben. Mai schüttelte den Kopf, »Gelsenkirchen, eindeutig noch nie gehört«, sagte sein Gesichtsausdruck, und man konnte es ihm nicht verübeln. Unsere Heimatstadt hatte ungefähr den Attraktivitätsfaktor einer Ziege mit Lippenstift, graue Zechenbauten, notdürftig sanierte Plattenbauten, ein paar Parks wie Spinatflecken auf einem zerfledderten Lätzchen. Mit großen Augen schaute uns Mai erwartungsvoll an, aber viel mehr gab es nicht zu sagen.
    »Schalke?«, warf ich noch unsicher in den Raum, und innerhalb weniger Millisekunden ging ein Leuchten über Mais Gesicht.
    »Schalke Nuuuuuull Viaaa«, brüllte er und riss die Arme hoch, als wären wir im Stadion und nicht in einer pakistanischen Bäckerei.
    Toll, fünfzig Jahre keine Meisterschaft, und trotzdem war das einzige weltweite Aushängeschild meiner Stadt das Wort »Schalke«. Sollte die Menschheit jemals von Außerirdischen besucht werden, müsste man zur Begrüßung vielleicht auch einfach »Schalke« rufen und einen blauweißen Schal hochhalten, dachte ich und sah, dass selbst der schwerfällige Dan seine Hände hochriss und in den »Nuuuuull
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