Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
leben, sterben, tanzen, leiden (German Edition)

leben, sterben, tanzen, leiden (German Edition)

Titel: leben, sterben, tanzen, leiden (German Edition)
Autoren: Kevin Haring-Sedler
Vom Netzwerk:
schwarz. D ie ausgezehrten Muskeln im Gesicht spannten die Haut beim Öffnen des Mundes stark an , der die rot- gelbliche Flüssi g keit absonderte , und d ie schwarzen A u gen starrten mich wie verflucht aus ihren tief sitzenden Höhlen wütend an.
    „Ich tue dir nichts“, rief ich und zog meine Taschenla m pe , reaktionsgemäß, so richtig über den Schädel des T y pen , das Plastik zersprang. Die Haut platzte sogleich auf. E r schlug und trat, ich schlug und trat. Er war wackliger auf den Beinen als ich. Das verschaffte mir Vorteile. Beim näch s ten Schlag mit meiner Taschenlampe fiel er rücklings zu Boden und da schlug ich auf ihn ein, bis mir die Kräfte schwa n den.
      „Bitte nicht “, keuchte ich und sah ih m dabei tief in seine schwarzen Augen . Ich glaubte kurz seine Mundwinkel würden sich heben , was hieß, dass er wohl zu lachen ve r suchte. „Bitte nicht“, schnaufte ich wieder und krallte mich an seinem Kragen fest . Wir lagen beide am Boden, außer uns vor Atem, nach Hilfe ringend – wohl jeder zu seinem eigene n Gott.
      Plötzlich hörten wir starkes Fluchen, lautes Reden (aber nur von einer Person). Der Erlöser war an der Tür und konnte sie nicht aufmachen . N och nicht .
    „That’ s the black man“, sagte der Mann am Boden, der mich nun mit traurigen Augen anblic k te und wein te. Seine Stimme klang kratzend , rauchig und sehr traurig.
    „Ich kann kein Englisch“, sagte ich. I ch genierte mich , nie eine höhere Schule besucht zu h a ben , aber ich hatte mich noch nie für Bildung oder Sprachen interessiert. I ch war Straßenkehrer in Graz und ab und zu in einer städt i schen Gärtnerei als Aushilfskraft beschäftigt . Ich wollte nie zur Schule gehen. In meiner Freizeit züchte te ich rei n rassige Katzen, die dann – w enn sie das rich tige Alter erreich t hatten – zu einem Katzenbullen stelle . Es macht Spaß , Tiere beim V ögeln zu be o bachten .
      „German, Austria“, sagte ich und der Mann lächelte mich an.
      „You are the next one, my salvation , you know? “
    Ich verstand kein Wort, doch er zeigte mit dem Finger auf mich, dann auf s einen Hals und er machte dabei eine Schnittbewegung. An der Tür pochte es laut . Ich verstand, ich war der Nächste, ich sollte ihn a b lösen, bevor es die anderen taten , das hieß, ich sollt e ihn töten!
    Immer laute r wurden die Schläge und die Rufe an der Tür; ein Fenster zerschellte. War ich ta t sächlich der Nächste?
      „Was muss ich tun?“
    Der Mann sah mich an, lächelte und sagte: „Please , let me go home, please!“ Aus seinem Mund träufelte Speichel und ich selbst weinte . Schicksal, dachte ich. – Ein scheiß Wort!
     
    Ein lauter Krach, fast schon ein Schlag, ließ mich wieder zurück in die Realität kommen. „H a ben wir zusammen keine Chance?“, fragte ich , und der Typ am Boden brach in Tränen aus , befreite sich von meinem Griff und rannte plötzlich gegen mich, sodass ich zu Boden fiel. Und ich schlug z u rück, schlug mit beiden Fäusten in sein Gesicht, und sah wieder in seine traurigen , schwarzen Augen, die mich fast zum Weinen brachten . Der Ausdruck in seinem Gesicht jagte mir Angst ein. D ie unverst ändlichen Laute drangen tiefer in mich ein, als die Finsternis mit all ihren bekle m menden Farben, die ich sah, wenn ich die Augen schloss. All die So rgen, die ich hatte, schienen sich auf einen einzigen Punkt zu fokussieren . In diesem Ausdruck ruhten Gedanken, die ich nicht verstand. Hinter den Augen, wo dieser Ausdruck entstand en war , spiegelten sich zu viele Überl e gungen ab.
      I ch erinner te mich an Willis Augen , an Klaus’ Augen, an Har ris Augen …
      Jetzt schlug ich fester zu .
    Und ich schlug feste r in diese Augen, ich schlug bis sie bluteten, ich schlug einfach nur . Und noch ein Schlag gegen die Brust, und noch ein Schlag auf den Hals, noch ein Schlag in das G e sicht und noch ein Schlag rechts und links , und jetzt wird so lange g e treten bis einer tot umfällt .
     
    Töten, töten. Wen ? Mich? Dich? Black-out …
      I ch lag neben einer Blutlach e, weinte , röchelte und war dermaßen entkräftet , dass ich mich nicht mehr bewegen konnte. Ich verlor einige Male das Bewusstsein und jedes Mal sah ich diese Farben, dieses Chaos in den Farben.
      N achdem ich wieder zu mir kam , mich vor Angst kaum bewegen konnte und vor Schme r zen schrie , hörte ich wieder ein mir vertrautes Geräusch: wie wenn zwei Metallstangen aufeina n der gerieben wurden .
     
     

04 .
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher