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leben, sterben, tanzen, leiden (German Edition)

leben, sterben, tanzen, leiden (German Edition)

Titel: leben, sterben, tanzen, leiden (German Edition)
Autoren: Kevin Haring-Sedler
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ziehen, war schwer. Ich habe aus einem and e ren Grund Angst vor der Dunkelheit. Als Kind hat man Angst vor der Dunkelheit, weil man nicht weiß, was in ihr steckt, was aus ihr herauskommen kann. Ich aber habe Angst vor der Du n kelheit, weil ich gesehen habe, was in ihr lauert; weil ich weiß, was sie ist.
      Nach ein paar Meter n erkan n te ich, dass ich ohne Licht nicht schnell genug vorankam , obwohl manchmal ein wenig Mondlicht durch das Astwerk fiel, so waren manche Stelle n so dicht vom Ast- und Buschwerk bewachsen, dass ich nichts erkennen konnte ; n ichts zu sehen , würde unwe i gerlich zum Sturz führen , und ein Sturz konnte zu einer Verletzung führen, zu Zeitverzögeru n gen, um mich wieder ein Stückchen näher d em Erlöser in die Fänge zu treiben . Und ich hatte solche Angst in der Dunkelheit. Ich schaltete das Licht wieder ein und versuchte zu laufen, es funktionierte. Beim Ausatmen sah ich, wie sich mein Atem in neblige Spiralen auflöste, kaum dass er meine Nase oder meinen Mund verlassen hatte. M eine Beine taten mir weh, bei jedem Schritt spürte ich meine Sehnen deutli ch angespannter, als rissen sie an meinem Fleisch. Ich war schwach und hatte Hunger. Mein Rücken hatte sich dermaßen verrenkt, dass ich sch ief zu laufen anfing (ein hu m pelndes Laufen) . Ich stellte mir meinen Hasen vor. Und dann stellte ich mir den Neuen vor, der jünger war, schöner und sein Name klang schon so viel ve r sprechend: Klaus . Ist das nicht ein schöner Name für einen Mann? Dann verspürte ich wieder eine eiserne Kraft in mir, die mich deutlich schneller laufen ließ. Ich verspürte ihn , den Klaus , zur Reche n schaft ziehen zu wol len . Er hatte nicht das Recht meinen Hasen zu stehlen, mir meinen Hasen zu nehmen. Mein Hase war 56 Ja h re, viel älter als Klaus es jetzt ist und dennoch: „Man darf so et was nicht tun.“ Ich lief in meiner vorwurfsvoll en und schiefen Haltung weiter. Aus der Ferne sah ich wohl wie eine geheimnisvolle Figur aus, die in einem Stephen King Film mitwirkte, und durch mein unkontrolliertes , schiefes Laufen war ich eindeutig ein Statist.
      Ich hatte nach wenigen Metern eine Lichtung erreicht , rund um sie traten Berge hervor, die im morgendlichen Licht wie Zinnsoldaten schimmerten. Und durch das noch vorhandene Mon d licht ka m eine bleierne Umrandung hinzu; herrschaftlich türmten sie sich vor mir auf . Ich stau n te wie benommen. „Eine Fata Morgana “, sagte ich leise, schaltete das Licht aus, als ob es jetzt noch einen Sinn m achte Batterien zu sparen , aber es w ar definitiv die dritte und letzte Station. I ch ko n trollierte auf m einem Kompass, den sie uns gegeben hatten , um die Stationen zu erreichen, die Einstellungen; sie waren korrekt . W ackelig ging ich weiter , spürte den Wind durch die Bäume zischen, als würde jemand ausatmen , bis ich ganz nahe an meiner Fata Morgana herangekommen war . Da begriff ich , dass es wirklich keine Fata Morgana war! Ich stand vor einem alten Haus, renovierungsbedürftige Architektur, stufiges Gelände, alte , mo r sche Dielen.
      Hundegebell vernahm ich plötzlich und wusste, dass sie Hunde oder Truppen nach mir g e schickt hatten , das hatten sie beim ersten Mal auch so gemacht. Rick war ziem lich schnell gesto r ben , er war unser Aufweck opfer , durch ihn erkannten wir, dass wir auf keinem Erholungstrip waren , sondern auf e i nem Schlachtungstrip . Jeder stirbt allein, ohne eine n anderen, dafür sorgen sie. Der Erlöser möchte mit dir al leine sein, er möch te, dass du alleine leidest, wenn er schlachtet . Und die Hunde hatten s ie eingesetzt, nachdem sie uns nicht sofort gefunden hatten. Warum tun sie es jetzt? War es das Haus, konnten sie wissen, dass ich hier bin, kon n ten sie sehen, dass ich dieses Level erreicht h atte?
      Ich ging die Treppe hoch und öffnete die Tür. Sie öffn e te sich ganz leicht, kein Knarren, was schon allein ein Grund sein sollte, nicht hineinzugehen. Aber ich ging hi n ein und es war d Licht, ein eigenartiger Geruch kam mir entgegen, irgendwie vertrocknet, vermodert und abg e standen . Ich schloss die Tür, verriegelte sie – so gut wie möglich – mit einer Kommode, die neben der Eingangstür e stand (angeschimmelt und abgeblätterter Lack) . Hier musste einmal jemand g e wohnt haben , aber das war sicherlich schon lange her . Schattennetze überdeckten alles. Tränen kamen mir wi e der und ich wollte, ich wäre nicht alleine. Ich zitterte am ganzen Körper, stellte mir Fragen des
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