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Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi

Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
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Bekennerschreiben gibt, ob man sonst eine Spur … Aber wenn ich so tue, als wüsste ich etwas? Weiß ich irgendetwas, das bei den Ermittlungen helfen könnte? Nicht mehr als die anderen cirka fünfhundert Menschen, die auf der Gala waren. Ich schließe die Augen. Ich denke nach. Und Carmen taucht auf. Ich schüttle den Kopf, öffne die Augen, schließe sie wieder, konzentriere mich auf die Gala, wie hat sie begonnen? Wer hat sich wann wohin gesetzt? Die Blicke der Frau in Weiß vom Nebentisch. Und dann Carmen und Oskar. Verdammt, die gehören da nicht hin. Sie sehen einander ähnlich. Gar kein Zweifel. Auch Carmen ist groß, nur dass sie schlank ist. Mein Oskar ist eins fünfundneunzig. Aber ist er „mein“ Oskar? Ich glaube ohnehin nicht, dass man einen anderen Menschen besitzen kann, als Besitz sehen darf. Jetzt hat er eine Tochter. Was bedeutet das? Was bedeutet das für uns zwei? Gala. Zurück zur Gala. Ich kann nicht klären, was das für uns bedeutet. Es war ziemlich dunkel auf der Gala. Der langatmige Moderator. Und was ist, wenn ich Verhofen einfach anrufe und sage, ich weiß zwar nicht, ob ich etwas Besonderes weiß, aber ich möchte zur Aufklärung beitragen, ich möchte mithelfen, den Möchtegernattentäter zu finden. Immerhin war ich am Ort des Geschehens. Ich habe journalistisches Gespür. Und ich habe Erfahrung, was Kriminalfälle angeht. Ob ihm das reicht? Ob er nicht sofort vermutet, dass ich ihn aushorchen möchte?
    Tut er nicht. Und wenn, ist es ihm nicht so wichtig. Wir treffen uns in einem Café an der Ringstraße. Am späten Vormittag ist da nicht viel los, einige ältere Männer spielen Schach, sie nehmen mich nicht einmal wahr. Zwei Frauen in ähnlichem Alter trinken Kaffee. Ich sehe mich nach Verhofen um. Mein Personengedächtnis ist im Allgemeinen eine Katastrophe, doch an ihn erinnere ich mich. Nicht besonders groß, eher untersetzt, aber nicht dick, kurze dunkle Haare. Kein Adonis und trotzdem ganz attraktiv. Markantes Gesicht. In seiner Studentenzeit war er Zehnkämpfer, hat er mir erzählt. Na gut. In meiner Schulzeit war ich auch sportlich. Einer der besten Wege, um dem Unterricht zu entkommen. Verhofen ist bereits da. Er hat sich für den Tisch im hintersten Eck entschieden. Wohl besser, niemand weiß von unserem Treffen. Aber die Gefahr, dass uns hier jemand entdeckt, ist ohnehin nicht groß. Als er mich sieht, springt er auf. Ein Polizist mit klassischen Manieren. Was es nicht alles gibt. Wir geben einander die Hand, lächeln. Das kommt schon vor, dass die Chemie stimmt. Bei uns ist es so. Wir bestellen beide Cappuccino und ich erzähle kurz, wie ich zur Einladung für die Gala gekommen bin. Verhofen verzieht ein wenig den Mund. „Keine Sorge, privat hab ich es nicht so mit Gurus“, beruhige ich ihn.
    „Ich hatte einmal eine Freundin“, erzählt Verhofen, als würden wir uns schon sehr lange und sehr gut kennen, „die war ganz versessen auf exotische Heilmethoden, dabei war sie eigentlich gar nie krank. Einen Monat hat sie um Termine bei einem vietnamesischen Arzt gefleht, im nächsten Monat war der out, dafür hat das mit den Chakras angefangen. Irgendwas muss da dauernd geöffnet werden. Herz oder Hirn oder Hals oder Ähnliches. Hat etwas mit alter indischer Medizin zu tun. Dann hat ihr einer gesagt, dass sie kein Salz essen darf. Und der Nächste oder Übernächste hat behauptet, sie muss viel Salz essen, aber es darf nur vom Himalaya sein. Sie hat alles brav gemacht, und die offensichtlichen Widersprüche ihrer diversen Lehrer, Ärzte und Therapeuten haben sie nicht im Geringsten irritiert. Dabei war sie alles andere als dumm.“
    „Wenn’s hilft“, erwidere ich großzügig. „Vielleicht wäre irgendeine dieser Methoden geeignet, der Erinnerung auf die Sprünge zu helfen.“ Ich will die Kurve zurück zum Rathaussaal kriegen. „Ich tue mich ganz schön schwer, zu beschreiben, was ich gestern gesehen und erlebt habe.“
    Jetzt sieht mich Verhofen doch etwas misstrauisch an. „Im Allgemeinen können Sie sich ziemlich gut ausdrücken.“
    „Mag schon sein, aber in dem Fall war ich zu sehr mittendrin, mir fehlen die Zusammenhänge, ich kann Dinge, die ich wahrgenommen habe, nicht einordnen. Und da könnten Sie mir vielleicht helfen. – Und ich Ihnen“, setze ich rasch hinzu. „Was denken Sie über den Bombenalarm?“
    „Ist das jetzt zum Veröffentlichen gedacht?“
    „Das wird kein Interview, das verspreche ich. Ich brauche einen Profi, mit dem ich reden kann. Was
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