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Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi

Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
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anderen haben drei Tage Vorsprung.“
    „Wir bringen die Hintergründe“, kontere ich.
    „Welche Hintergründe? Du bist doch heimgegangen.“
    Das hat gesessen. „Ich recherchiere“, antworte ich wütend. Den Tränen nahe. Ich weiß nicht, was das heute ist. Es wären Tränen der Wut. Selbstverständlich. Aber auch nicht gut. Nicht professionell. Der Chronikchef mustert mich spöttisch.
    „Lasst sie in Ruh“, sagt Droch. Alle sehen ihn erstaunt an. Sehr selten, dass er sich in solche Dispute einmischt. Und auch wenn wir uns mögen, in Sitzungen hat er mir kaum geholfen, er meint, das könne ich ganz gut selber. Seine Art von angewandtem Feminismus, hat er einmal gespottet. „Wir haben ja wirklich noch Zeit“, sagt er jetzt.
    Ich schlucke. „Der Wortlaut der Drohung: er kam in keiner Agenturmeldung. Kennt man ihn tatsächlich nicht?“
    „Wir kennen ihn nicht“, antwortet der Chronikchef. „Wir hätten zwar eine Reporterin vor Ort gehabt, aber die hat den Bürgermeister nicht gefragt.“
    Ich sehe ihn an. So cool wie möglich. „Ich habe ihn gefragt, als wir über die Stufen gehetzt sind und nicht gewusst haben, ob gleich eine Bombe hochgeht. Er hat ihn auch nicht gekannt.“ Sie werden nie erfahren, dass ich bloß hinter ihm und seinen Leuten hergekeucht bin. „Also: Weiß man inzwischen mehr?“, frage ich. Einige Ressortchefs schütteln den Kopf. „Ich werde es herausfinden“, sage ich und denke gleichzeitig, dass ich übergeschnappt sein muss.
    Der Chefredakteur seufzt. „Du solltest auf alle Fälle ein Interview mit diesem Guru, mit Weis machen. Er war kurz in den Spätnachrichten. Die Leute sehnen sich nach einem, der ihnen alles erklärt. Und du hast ja den perfekten Draht zu ihm.“
    Moment mal, der Chefredakteur selber war es, der mir den Auftrag vermittelt hat. Aber vielleicht besser, das in dieser Runde nicht breitzutreten. Es gab schon genug spöttische Bemerkungen, als durchgesickert ist, dass ich das Buch dieses weißen Heilsverkünders redigiere. Wenn die wüssten, dass ich anstelle eines mehr oder weniger fertigen Textes einen Haufen ungeordneter Aufsätze, Zeitungsausschnitte, Fotos (natürlich alle mit Weis im Mittelpunkt: Weis im Fernsehstudio, Weis spricht vor Managern, Weis meditiert auf einem Hügel, Weis lächelt einer Jüngerin zu) und Notizen bekommen habe, selbst der Chronikchef hätte mit mir Erbarmen. Aber egal, jetzt ist das Buch so gut wie fertig und ich bin froh, dass ich nur im Kleingedruckten genannt werde. „Weis.heiten“. Auf so einen Titel muss man erst einmal kommen.
    „Ich werde mit ihm sprechen“, sage ich erschöpft. „Er war gestern übrigens einer der wenigen, die nicht die Nerven verloren haben.“
    „Dein Guru eben“, spottet Droch und fast bin ich beruhigt, dass er zu seinem üblichen Tonfall zurückgefunden hat.
    „‚Mein‘ Guru sicher nicht“, erwidere ich.
    Ich sitze am Schreibtisch und tippe endlich in den Computer, was ich gestern erlebt habe. Wie seltsam sich schon jetzt die Bilder verwischen. Angsterfüllte Gesichter und unsere Flucht durch die Gänge, und Weis, der dasteht und alles beobachtet. Wie ist er aus dem Rathaus gekommen? Gemeinsam mit den anderen? Ich hoffe, ihn hat schlussendlich doch auch noch die Panik gepackt. Anruf am Mobiltelefon. Vesna.
    „Du weißt Neues?“, fragt sie.
    „Nicht viel. Eigentlich nichts.“
    „Du willst nicht reden, habe ich recht?“
    „Verdammt, ich weiß wirklich nichts. Und was geht es dich an? Du hast ein Reinigungsunternehmen!“
    „Oh, oh“, antwortet Vesna, „wer hat dich so ärgerlich gemacht?“
    „Alle verlangen von mir, dass ich mehr weiß. Und jetzt hab ich sogar noch ein Interview mit Weis am Hals.“
    „Wir sollten uns treffen. Vielleicht mir fällt etwas ein.“
    Eine gute Idee. Eine beinahe rettende Idee. Und wenn uns nichts einfällt, dann essen wir einfach gemischte Vorspeisen bei unserem Lieblingstürken gleich ums Eck bei der Redaktion. Wahrscheinlich bin ich deshalb so schlecht drauf, weil gestern das Abendessen ausgefallen ist. Und das heutige Frühstück auch.
    „Momentan kann ich nicht“, antwortet Vesna auf meinen Vorschlag. „Ich muss zum Lauftraining. Will ich nicht auslassen. Aber danach …“
    „Danach muss ich zu Weis.“ Ich sage es schroffer, als ich wollte. Nicht einmal das klappt heute, nicht einmal Essen und Überlegen mit Vesna.
    „Ich denke nach, Mira Valensky, und wenn du Zeit hast, wir sehen uns. Ich erkunde in der Zwischenzeit Stimmung. Bei den
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