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Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi

Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
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Er ändert sich so gut wie nie. Ich hätte ihn zu gerne einmal schlafend gesehen. Da drüben zwei Krimiautorinnen in knallrotem Outfit. Formsprengend, lästere ich lautlos. Ich habe die beiden vor einiger Zeit für eine Reportage über Krimis und kriminelle Realität interviewt. Der Busen der einen scheint ihren Nachbarn förmlich anzuspringen. Ein aggressives Doppel-Dings. Am meisten Glamour hat noch der Saal. Hohes Kreuzrippengewölbe mit prächtigen, aber leider viel zu stark gedimmten Leuchtern, hohe Flügeltüren, konservierter Prunk vergangener Tage. Der Bürgermeister ist auch da, immerhin einer der wenigen Politiker, die nachweislich lesen können. An seinem Tisch eine bekannte Soubrette. Sie übt das Gewerbe schon einige Jahrzehnte aus, bekannt ist sie allerdings weniger ihrer Stimme wegen als durch ihre Dauerpräsenz auf Galas jeglicher Art.
    Ich spüre einen Blick im Rücken und drehe mich um. Es ist eine Frau, die vom Tisch hinter unserem herüberstarrt. Teuer frisierte blonde Haare, weiße Jacke, die aussieht wie von einem Designer. Sollte ich sie kennen? Dann wird mir klar, dass der Blick nicht mich angeht, sondern Weis. Vielleicht auch Ida Moylen. Weis ist durch seine seltsame TV-Show ziemlich bekannt. Wohl eine Verehrerin. Daher vielleicht auch die weiße Jacke. Weiß, um ihm zu gefallen. Jetzt lobt der Moderator Hans Glück, einen der Autoren, die mein Mann Oskar spöttisch in die Kategorie „Weltberühmt in Österreich“ reiht. Die Lippen des Promi-Autors am Nebentisch werden schmal und schmäler. Er hüstelt und schenkt sich nach. Sollte er gewinnen, wird er schon betrunken sein. Die wichtigste Preiskategorie kommt am Ende der Veranstaltung. Und danach, wenn es wahr ist, endlich etwas zu essen, ich werde bis dahin verhungert sein. Die beiden Krimiautorinnen in Rot sind aufgestanden und wallen Richtung Flügeltüre und von dort wahrscheinlich die Treppe hinunter ins Freie. Nur dort darf noch geraucht werden. Irgendwann einmal werden sie uns die Messer verbieten, murmle ich im Halbdunkel. Sind doch lebensgefährlich, für uns selbst und für andere.
    Auch Weis steht auf. Ich spähe zum Tisch hinter unserem und sehe, dass der Hals der Frau mit der weißen Jacke immer länger wird. Sie fummelt an ihrer Tasche herum. Wird sie ihm folgen? Mit einem Mal kommt mir die Gala weniger öd vor. Man muss bloß die Menschen beobachten, da spielt sich immer etwas ab. Ida Moylen war schneller. Sie folgt Weis im Abstand von einigen Metern. Ihr Gesichtsausdruck ist irgendwie angespannt. Wenn Weis tatsächlich so viele Verehrerinnen hat, will sie ihn wohl lieber unter Kontrolle halten. Weder sie noch Weis haben mir zugenickt, als sie den Tisch verlassen haben. Es ist so, als nähmen sie mich gar nicht wahr. Ich höre einen Stuhl hinter mir. Jetzt ist auch die Blonde mit der weißen Jacke aufgestanden. Ich überlege, mich dem Tross anzuschließen und zu beobachten, was da außerhalb des Festsaales passiert. Vielleicht ein Duell um Weis? Geschmäcker sind verschieden. Von mir aus können sie ihn haben. Alle.
    Der Moderator verkündet die Preisträger der Kategorie „Kochbuch“. Sieh an, ein Freund von mir hat gewonnen. Eigentlich der einzige Gastronomiejournalist, den ich in Österreich ernst nehmen kann. Ich bleibe sitzen und klatsche. Nur aus dem Augenwinkel sehe ich, dass jetzt auch ein Mann vom Tisch der Frau in Weiß aufgestanden ist. Ihr Mann? Ich grinse. Das wird ja immer besser. Mira, vielleicht geht bloß wieder einmal die Fantasie mit dir durch und die vier plagt nichts anderes als der Druck ihrer Blase. Ich sehe dem Mann nach. Er kommt mir bekannt vor. Auch ein Autor? Schlank, weißhaarig, schwarze Cordjacke, schwarzes Poloshirt. Wo habe ich ihn bloß schon gesehen?
    Die zweite Kochbuch-Preisträgerin stammelt etwas von „Genuss ohne Reue“, der „Kraft der Karotte“ und „mens sana in corpus sana“. Ich hab Latein in der Schule nie gemocht, hätte stattdessen viel lieber Italienisch gelernt, aber dass es nicht „corpus sana“, sondern „corpore sano“ heißt, weiß selbst ich. Vielleicht machen zu viele Karotten doch keinen besonders gesunden Geist. Noch immer ist viel verstohlene Bewegung im Saal, wer kann, verschwindet kurz oder steht auf, um mit jemandem an einem anderen Tisch zu flüstern.
    Weis ist der Erste, der zurückkommt. Jetzt nickt er mir huldvoll zu. Ich gähne. Als Zweiter kommt der Mann vom Nebentisch. Was ist mit den beiden Frauen? Krieg der Konkurrentinnen? Liegen die beiden
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