Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi

Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
Vom Netzwerk:
Zivil zu geben. Ich kann auch morgen mit jemandem von der Einsatzleitung sprechen. Das „Magazin“ ist eine Wochenzeitung, die nächste Ausgabe erscheint erst in vier Tagen. Was wird bis dahin passieren? Was werden wir dann wissen? Ich sehe auf die Uhr. Erst halb zehn. Seit dem Alarm ist nicht viel mehr als eine Stunde vergangen. Den Bürgermeister sehe ich nicht mehr. Ob er ins Rathaus zurück ist? Unwahrscheinlich. Irgendwo gibt es eine Krisensitzung, ganz sicher. Die gibt es immer. Und im Rathaus sind wohl noch Bombenexperten am Werk. Was für ein Job. Ein ganzes Rathaus nach einer Bombe zu durchsuchen.
    Hinter mir sagt einer: „Da steckt die Al Kaida dahinter. Es gibt heuer gleich ein paar Bücher, die sich mit dem Islam beschäftigen. Das wollen die nicht.“
    Oder ein beleidigter Autor. Oder ein Verrückter. Es wird Zeit, dass ich heimgehe. Heim zu Oskar. Ich bin plötzlich sehr müde. Was wäre gewesen, wenn ich versucht hätte, den Saal durch eine der Flügeltüren zu verlassen? Hätten sie dann mich niedergetreten? Wären sie über mich drübergetrampelt? Oder wäre ich bei denen gewesen, die in Panik gedrängt und gestoßen haben?
    Seit einigen Monaten wohne ich ständig bei Oskar. Das ewige Hin und Her zwischen unseren beiden Wohnungen ist mir auf die Nerven gegangen. Und seine Wohnung hat jedenfalls Vorteile. Einer davon ist, dass sie im 1. Bezirk liegt. Höchstens zwanzig Minuten zu Fuß vom Rathaus. Mit Dachterrasse, groß, hell. Ein erfolgreicher Wirtschaftsanwalt kann sich so etwas leisten. Trotzdem würde ich mich heute lieber die fünf Stockwerke zu meiner weit weniger noblen Altbauwohnung hinaufschleppen, vertraute Höhle, zur Ruhe kommen, nachdenken, vielleicht auch einige Ideen in den Laptop tippen. – Und allein sein? Ich hätte Gismo bei mir. Meine Schildpattkatze: Mit ihr habe ich die bisher längste Beziehung meines Lebens. Von den Eltern einmal abgesehen. Jetzt steht meine Wohnung leer. Ich will sie nicht verkaufen. Ab und zu übernachten Freunde von außerhalb dort. Und Vesnas Putzunternehmen hält sie sauber. Vesna. Ich sollte meine Freundin anrufen. Nachdem Vesna Krajner die österreichische Staatsbürgerschaft bekommen hatte, wollte sie eigentlich ein Detektivbüro aufmachen. Nur die verzopfte Detektivordnung hat sie daran gehindert. Jetzt betreibt sie ihre Nachforschungen eben nebenbei. Und offiziell eine Reinigungsfirma. „Sauber! Reinigungsarbeiten aller Art“. Sie wäre wohl nicht aus dem Rathaus gerannt. Sie hätte sich versteckt und die Bombenentschärfer beobachtet. Oder doch nicht? Vesna ist mutig, aber auch vernünftig. Und als in Bosnien Krieg war, ist sie mit ihren zwei kleinen Kindern nach Österreich geflohen.
    „Was ist los?“, fragt Vesna anstelle einer Begrüßung.
    Ich gehe mit dem Telefon am Ohr am Burgtheater vorbei. Hier sind nur wenige Menschen auf der Straße, aber immer wieder gibt es welche, die tuscheln und zum Rathaus hinüberstarren. Neugotischer Bau, hoch und mächtig und jetzt in der Nacht dezent beleuchtet. Als könnte er durch nichts erschüttert werden.
    „Es hat einen Bombenalarm gegeben“, antworte ich.
    „Das weiß ich“, kommt es ungeduldig zurück. „War schon in den Nachrichten.“
    „Es dürfte sich um falschen Alarm gehandelt haben.“
    „Aber um echte Drohung“, erwidert Vesna.
    Da ist was dran. „Ist es wahr, dass es in der Panik Tote gegeben hat?“, frage ich.
    „Du willst von mir wissen? In Nachrichten haben sie von Verletzten geredet. Die berichten direkt vom Rathaus. Bist du nicht dort?“
    „Nicht mehr. Das nächste ‚Magazin‘ kommt erst in vier Tagen heraus, außerdem ist ein Fotograf dort.“
    „Bist du in Ordnung, Mira Valensky?“ Das klingt jetzt eindeutig besorgt.
    „Ja. Klar.“ Aber vielleicht sitzt der Schock doch tiefer, als ich gedacht habe. Was wäre gewesen, wenn eine Bombe hochgegangen wäre? Was ist, wenn sie noch hochgeht? Ich trabe am Burggarten entlang Richtung Graben. Grüne Büsche hinter hohen Gittern. Was man alles einsperren muss. Ich hätte mit dem „Magazin“ telefonieren müssen. Kann ich ja noch. Der Bereitschaftsredakteur hat sicher mitbekommen, was passiert ist. Niemand kann davon ausgehen, dass ich auf der Gala war.
    „Wenn es keine echte Bombe war, dann war es jemand aus der Buchbranche“, überlegt Vesna.
    „Warum?“
    „Sind Schreibtischtäter, oder?“
    „Und wenn es ein Verrückter war?“, will ich wissen.
    „Das schließt sich nicht aus. Du musst schon irgendwie verrückt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher