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Leben im Käfig (German Edition)

Leben im Käfig (German Edition)

Titel: Leben im Käfig (German Edition)
Autoren: Raik Thorstad
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sobald er sein kleines Reich verließ. Sie wusste nicht, wie anstrengend zwei Stunden Unterricht bei dem unsympathischen Dr. Schnieder für ihn waren. Abrupt wandte er sich ab und starrte aus dem Fenster in den weitläufigen Garten.
    Kühl und verlockend blinzelte ihm das türkise Wasser des Swimmingpools entgegen. Trotz des nahenden Abends war es immer noch heiß und daran würde sich bis in die frühen Morgenstunden hinein auch nichts ändern. Er schwamm für sein Leben gern. Er hätte alles gegeben, um unbeschwert in ein paar Shorts zu schlüpfen und nach draußen zu rennen, sich kopfüber ins Wasser zu werfen. Aber er konnte nicht.
    Schlanke Finger strichen über seinen Nacken und durch seine zotteligen, langen Haare; eine tröstende Geste, die jedoch kaum Wirkung erzielte.
    „Versuch es mal wieder, Liebling“, flüsterte seine Mutter behutsam. „Du warst den ganzen Sommer über noch nicht unten und du bist als Kind so gerne geschwommen. Danach geht es dir bestimmt besser.“
    Als er mit keinem Wort – oder auch nur einer Geste – zu verstehen gab, dass er ihren Vorschlag registriert hatte, zog Margarete von Winterfeld sich schweigend zurück. Sie wusste, wann es keinen Sinn mehr hatte, weiter in ihren Sohn einzudringen. Als sie ein paar Minuten später das Haus verließ, schob sie wie so oft ihr schlechtes Gewissen beiseite, um sich voll und ganz auf den nahenden Geschäftstermin konzentrieren zu können.
     
    * * *
     
    „Es ist noch ein bisschen provisorisch, fürchte ich. Aber wir fahren am Wochenende einkaufen und besorgen noch ein paar Sachen für dich.“
    Mit einem Ruck stellte Sascha die letzte Umzugskiste ab. Er streckte sich ausgiebig, während er sich prüfend in dem hellen Gästezimmer umsah. Der Raum war ohne jeden Zweifel freundlich eingerichtet – farbenfrohe Vorhänge, Bettwäsche mit riesigen Sonnenblumen, ein abstraktes Gemälde über dem kleinen Schreibtisch -, aber entsprach nicht unbedingt dem Geschmack eines 18-jährigen Schülers.
    Zu steril, zu wenig an den Wänden und schlicht zu wenig Durcheinander. Aber er hatte es nicht schlecht getroffen. Das Zimmer war groß und stand ihm allein zur Verfügung, was mehr war, als er zu hoffen gewagt hatte.
    „Das passt schon, Tante Tanja“, erklärte er dankbar. „Was dagegen, wenn ich ein paar Poster aufhänge?“
    Die hochgewachsene Mittdreißigerin, die mit kritischem Blick die Zimmereinrichtung musternd im Türrahmen lehnte, verdrehte entsetzt die Augen und hob abwehrend die Hände: „Um Himmels Willen, lass bloß die Tante stecken. Ich fühle mich dann steinalt. Und natürlich kannst du Poster aufhängen. Das hier ist jetzt dein Zimmer und du kannst damit machen, was immer du willst.“
    „Was immer ich will? Wirklich?“, grinste Sascha wölfisch.
    „Gut, fast alles. Du tätest mir einen Gefallen, wenn du keine halb leeren Joghurtbecher auf der Fensterbank stapelst, bis du dein eigenes Biotop hast. Und ach ja, etwaige Pornohefte oder Ähnliches darfst du gerne an Orten verstauen, wo meine kleinen Kröten sie nicht finden.“
    Halb belustigt, halb besorgt ob der Ankündigung, dass sein Cousin und seine Cousine in naher Zukunft über ihn und sein neues Domizil herfallen könnten, zog Sascha eine Augenbraue hoch: „Versprochen.“ Er stockte kurz, bevor er rasch und ein wenig kleinlaut hinzufügte: „Und bevor ich es vergesse: Danke. Für alles.“
    „Gern geschehen. Für meinen Lieblingsneffen tue ich doch alles“, lächelte Tanja warm.
    „Ich bin dein einziger Neffe.“
    „Ich weiß.“ Sie lachte und klopfte kurz gegen den Türrahmen: „Ich lasse dich jetzt allein. Du willst sicher auspacken. Und ich muss mich wohl oder übel mit meinem Schweinestall von Küche auseinandersetzen.“
    Kaum, dass sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte, setzte Sascha sich auf sein neues Bett und fuhr sich mit dem Unterarm über die feuchte Stirn. Die lange Autofahrt bei glühender Hitze und das Tragen der Umzugskisten forderten ihren Tribut in Form eines nassen T-Shirts, das klamm an seinem Rücken klebte. Er sehnte sich nach einer Dusche, aber vermutlich war es besser, zuerst auszupacken. Bis er seine Bücher und Kleidung in den Regalen und Schränken verstaut hatte, würde ihm angesichts der tropischen Temperaturen draußen sicher noch ein paar Mal der Schweiß ausbrechen. Und da hieß es immer, im hohen Norden wäre es kühler als im Rest der Republik.
    Ein unangenehmes Ziehen manifestierte sich in seiner Brust, als er an sein Zuhause
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