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Leben im Käfig (German Edition)

Leben im Käfig (German Edition)

Titel: Leben im Käfig (German Edition)
Autoren: Raik Thorstad
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was letztendlich auf dasselbe hinauslief.
    Andreas bedeutete dieser Reichtum nicht viel. Gut, er wusste den Luxus, der ihn umgab, zu schätzen.
    Von Kindesbeinen an waren ihm alle materiellen Wünsche erfüllt worden; häufig sogar solche, die er nie geäußert hatte. Spielzeug, die neusten Videospiele- und Konsolen, Fahrräder, ein Steinway-Flügel, um darauf die ersten Gehversuche in Sachen Klavierspiel zu machen. Nie hatte er Ärger bekommen, wenn er sich als Kind gleich drei Hosen pro Woche an seinem Kletterbaum im Garten der Villa aufriss. Kaputte Kleidungsstücke wurden bei ihnen nicht geflickt oder anderweitig gerettet: Sie wurden ohne mit der Wimper zu zucken ausgetauscht. Seitdem Andreas vierzehn Jahre alt war, kaufte er mit den Kreditkarten seines Vaters im Internet ein. Er hatte dafür nie Rechenschaft ablegen müssen; egal, wie hoch die Kartenabrechnung am Ende des Monats ausfiel.
    Aber wie die meisten Dinge im Leben hatte diese Großzügigkeit eine Kehrseite. Eine erfolgreiche Firma verlangte viel Aufmerksamkeit und Einsatz. Und so bitter es auch sein mochte, hatte Andreas früh begriffen, dass es für seine Eltern oft einfacher war, ihn mit teuren Geschenken zu überhäufen, statt ihm ihre ungleich kostbarere Zeit zu schenken. Inwieweit dies damit zu tun hatte, dass er als Betriebsunfall auf die Welt gekommen war und die Pläne seiner karriereorientierten Mutter durchkreuzt hatte, wollte er gar nicht erst wissen.
    Er hatte alles und gleichzeitig nichts. Andreas wusste, dass er eine Enttäuschung für seinen Vater war. Er funktionierte nicht, konnte den hohen Erwartungen nicht gerecht werden, die seine Eltern, sein Großvater und der gute Name der Familie an ihn stellten.
    Vom Tag seiner Geburt an war sein Weg vorgezeichnet gewesen. Denn wenn Margarete von Winterfeld schon zum ungünstigsten Zeitpunkt ein Kind bekommen musste, dann stand außer Frage, dass dieses Kind eines Tages das Unternehmen übernehmen musste.
    Andreas' Meinung zu diesem Thema war nicht relevant. An manchen Tagen erwischte er sich dabei, dass er sogar froh war, dass sein Leben eine so unrühmliche Wendung genommen hatte. Und sei es nur, weil es ihm von Zeit zu Zeit ein diebisches Vergnügen bereitete, seine Eltern betretene Blicke austauschen zu sehen. Zu wissen, dass er die einzige Größe in der Gleichung ihres Lebens war, die nicht aufging.
    Er unterdrückte ein bitteres Lachen. Dabei kannten sie nur die halbe Wahrheit.
     Das Knarren der Stufen im Treppenhaus ließ Andreas die Augen verdrehen. Die Hamburger Villa in Sichtweite des Elbstrandes mochte standesgemäß und vor allen Dingen teuer sein, aber sie hatte auch ihre Nachteile. Hohe Decken, sodass sich die Räume im Winter nur langsam aufheizten. Allerlei Auflagen für Baumaßnahmen durch den Denkmalschutz. Teilweise widersinnige Raumaufteilungen. Und die Tatsache, dass man genau hören konnte, wer die Treppe hochkam. Je nach Gewicht quietschten die Stufen ein paar Töne höher oder tiefer.
    Dieses Mal war es Andreas' Mutter. Er hatte keine Lust, sich mit ihr auseinanderzusetzen, aber sie war immer noch besser zu ertragen als sein Vater. Vermutlich, weil sie ihre Enttäuschung über sein Versagen besser kaschieren konnte als ihr Mann.
     „Andreas?“ Ein zartes Klopfen an der Tür. „Bist du wach?“
    Was für eine bescheuerte Frage. Es war fünf Uhr nachmittags. Selbst unnütze Schmarotzer wie er waren da schon wach.
     „Hm-hm“, knurrte er zurück und fragte sich, ob es ihm heute gelingen würde, seine Mutter abzuwimmeln. Viel Hoffnung hatte er nicht, da er am Morgen nicht zum Unterricht in der Bibliothek erschienen war. Wie er seinen Privatlehrer Dr. Schnieder kannte, hatte er seinen Eltern Bericht erstattet und vermutlich gleich die Gelegenheit genutzt, um ihnen auf pädagogisch korrekte Weise mitzuteilen, dass ihr Sohn ein faules Aas war.
    „Kann ich hereinkommen? Ich möchte gerne mit dir reden, bevor ich wieder fahre.“
    „Wo musst du denn noch hin?“, umging Andreas die Frage fürs Erste. Nicht, dass es ihn interessierte, welche wichtigen Verpflichtungen seine Mutter an diesem Abend davon abhielten, daheimzubleiben.
    Er hörte sie vor der Tür seufzen: „Ein Geschäftsessen mit einem neuen Großkunden aus Rumänien. Wenn alles gut läuft, könnte es sein, dass wir in einen ganz neuen Markt vorstoßen. Das wäre gut für uns, denn die Absatzlage in Deutschland ist aktuell nicht so günstig, wie du weißt, und neue Statistiken belegen ...“
    „Ist ja schon
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