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Lea - Untermieterin bei einem Vampir

Lea - Untermieterin bei einem Vampir

Titel: Lea - Untermieterin bei einem Vampir
Autoren: Anna Winter
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wollte ich es erledigt haben und nicht vor mich herschieben. Es belastete mich gerade genug anderes.
    Ich atmete tief durch und antwortete. „Ja?“
    „Hey Lea, ich bin’s, Colin.“
    „ Ja, ich weiß.“
    „ Alles okay bei dir?“
    So okay man eben sein konnte, wenn ein Kartenhaus zusammenbrach.
    „Nein“, flüsterte ich.
    Es war einige Sekunden still am anderen Ende der Leitung. „Du hast es dir überlegt, oder?“
    „Ja. Colin, ich kann nicht. Ich bin gerade so voller Ballast, aber es funktioniert nicht.“ Ich mochte nicht mehr. Ich wollte langsam überhaupt keinen Freund mehr haben. Warum war alles so kompliziert?
    „ Das ist…“ Er fluchte. „Jetzt weiß ich Bescheid. Irgendwie habe ich es geahnt.“
    Ich nickte nur. Er sollte sich von Ronny trösten lassen. Ich hatte keine Kraft, um ihn aufzubauen. Mir fehlte jede Energie. Ich rutschte ein Stück tiefer und verfluchte das harte Holz im Rücken.
    „Tut mir leid“, murmelte ich. Irgendwie wollte mir nicht mal das ewige »Lass uns Freunde bleiben« über die Lippen kommen. Ich wollte nicht, konnte nicht. Sarah hatte recht. Wofür hatte ich dieses Chaos mit so vielen Dates in mein Leben gebracht? War ich ehrlich so verzweifelt?
    „ Ja, mir auch.“ Stille. Dann: „Mach’s gut, Lea.“
    „ Du auch.“ Ich drückte die Verbindung weg, stopfte das Handy in meine Tasche und verfiel wieder in dumpfes Starren. Als mir mein Hintern vom Sitzen weh tat, stand ich auf und irrte weiter umher. Am liebsten wäre ich zu einer dieser Greyhound Busstationen gelaufen, hätte mir ein Ticket für Iowa oder Wyoming besorgt – einfach nur weg. Mir war klar, dass es sich um das klassische vor Problemen davon laufen handelte. Ich dachte an Filme, die an fernen Orten gespielt hatten. Ein Haus am See mit Sandra Bullock, Endora in Iowa mit Gilbert Grape, Concord in Massachusetts mit Betty und ihren Schwestern, Anne of Green Gables in Prince Edward Island. Ich floh aus meiner eigenen Realität, reiste wie ein Tourist durch meine Fantasie und ersann völlig absurde Möglichkeiten darüber, wo ich gerade sein könnte. Ich ertappte mich eiskalt dabei, wie ich einmal mehr über alternative Realitäten nachdachte. Großartig. Das zeigte mir endgültig, dass ich mit meiner gegenwärtigen Situation tauschen wollte.
    Bloß dass ich weder in Concord noch Endora oder sonst wo sein wollte. Ich liebte Savannah. Ich liebte… Tom. Mir steckte ein verdammter Kloß von der Größe unseres Erdballs im Hals. Ich legte den Kopf in den Nacken. Mist.
    Natürlich hätte ich Kyle anrufen können, um mit ihm nach Tybee Island rauszufahren, aber es wurde langsam spät und eigentlich wollte ich keinen Umweg über Kyle machen. Hölzern setzte ich mich in Bewegung. Zurück zu unserer Wohnung. Toms Wohnung. Ich hatte Stunden damit tot geschlagen, über Unsinn nachzudenken und war nicht wirklich schlauer geworden. Aber Verdrängung brachte nicht allzu viel. Ich hatte mich in Tom verknallt und ein Teil von mir trat mir gehörig in den Arsch, weil ich dazu bereit war, zu schnell aufzugeben. Es war schwer, nachtragend zu sein, wenn man sich selbst dabei schadete. Von Tom weg zu sein, machte mich nicht glücklicher.
    Wer willst du sein, Lea? Bei wem willst du sein?
    Ich musste Grütze im Hirn haben, denn die Antwort lautete: Bei meinem Vampir.
    Sieh es mal so , flüsterte mein inneres Teufelchen, er steht jetzt quasi in deiner Schuld. Toll, und dann? Er wird dir aus der Hand fressen. Aber das will ich doch gar. Er wird es auf eine grandiose Art wieder gut machen. Ach, halt den Rand, Teufelchen! Jetzt führte ich schon Zwiesprache mit mir selbst. Mit mir und meinem Teufelchen. Ich wurde wirklich irre. Wie hielten Leute mit multipler Persönlichkeit das aus? Unterhielten sich deren Stimmen eigentlich miteinander? Ich hatte so keine Ahnung. Mir wäre es lieber, wenn Teufelchen sich verdrücken würde.
    Etwa eine weitere Stunde später – war ich wirklich so weit gelaufen? – stand ich vor unserem Wohnhaus.
    Ich schaffe das. Ich bin ein großes Mädchen. Ich habe einen Schlüssel und ich werde ihn benutzen. Tief durchatmen. Du gehst nur deinen Freund besuchen.
    Aber es machte mich nervös. Verdammt, er hatte Recht. Ich hatte ihn getäuscht, ihn nach seiner Geburtstagsnacht belogen und einen Blackout vorgetäuscht. Weil ich feige war. Und Tom hatte gelogen, weil er auch feige war. Was wollte ich ihm eigentlich vorwerfen? Bloß kam ich mir so lächerlich dabei vor. Dieses ganze Kino für seine Eltern. Zum
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