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Lautstärke beweist gar nichts - respektlose Wahrheiten

Lautstärke beweist gar nichts - respektlose Wahrheiten

Titel: Lautstärke beweist gar nichts - respektlose Wahrheiten
Autoren: Aufbau
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schöne Gesicht; und ich sah die freundlichen Augen, aber in diesen Augen war etwas, was ich noch nie gesehen hatte. Sie funkelten und blitzten vor Empörung. Ich merkte, wie ich zerbröckelte, wie ich zu einemNichts zusammenschrumpfte unter diesem anklagenden Blick. Unter seinem vernichtenden Feuer stand ich mindestens eine volle Minute lang stumm da – mir kam es wie eine Ewigkeit vor. Dann öffnete meine Frau die Lippen, und von ihnen strömte – meine letzte Badezimmeräußerung . Die Sprache war genau getroffen, aber der Ausdruck samten, unpraktisch, lehrlingshaft, unwissend, unerfahren, komisch unangemessen, unsinnig schwach und ungeeignet für die derbe Sprache. In meinem ganzen Leben hatte noch nie etwas so falsch in meinen Ohren geklungen, so unharmonisch, so unvereinbar, so unpassend wie diese kraftvollen Worte, die so schwach vertont worden waren. Ich versuchte, ein Lachen zu unterdrücken, denn der Schuldige, der auf Milde und Gnade angewiesen war, war ja ich. Ich suchte zu verhindern, dass ich vor Lachen platzte, und es gelang mir auch – bis sie feierlich sagte: »So, jetzt weißt du, wie sich das anhört.«
    Da explodierte ich; die Luft war voll von meinen Splittern, man konnte sie umherschwirren hören. Ich sagte: »Oh, Livy, wenn sich das so anhört, Gott vergib mir, werde ich es nie wieder tun!«
    Da musste auch sie lachen. Beide brachen wir in Zuckungen aus und lachten so lange, bis wir körperlich erschöpft und geistig versöhnt waren.
    Beim Frühstück waren die Kinder anwesend – Clara sechs und Susy acht –, und die Mutter machte eine vorsichtige Bemerkung über drastische Ausdrucksweise; vorsichtig,weil sie nicht wollte, dass die Kinder irgendetwas argwöhnten – eine vorsichtige Kritik an Kraftausdrücken. Beide Kinder gaben wie aus einem Munde den Kommentar ab: »Aber Mama, Papa benutzt sie doch auch.«
    Ich war erstaunt. Ich hatte geglaubt, das Geheimnis sei sicher in meiner Brust verschlossen gewesen und sein Vorhandensein nie vermutet worden. Ich fragte:
    »Woher wisst ihr das, ihr kleinen Schlingel?«
    »Ach«, sagten sie, »wir lauschen oft am Treppengeländer, wenn du in der Diele bist.«
    Wir alle fluchen – jeder. Einschließlich der Damen.

Wir sind verständige Schafe
    Ich weiß, wovon ich rede. Ich bin zu alt & zu weit herumgekommen & habe mich an zu vielen Leuten gerieben, um Menschen nicht ebenso gut zu kennen, wie wir Strudel von Wellen im Fluss unterscheiden konnten.
    Wir sind verständige Schafe; wir warten ab, um zu sehen, wohin die Herde läuft, und dann laufen wir mit.
    Wir haben zwei Meinungen: eine private, die wir nicht zu äußern wagen, und eine andere – die wir aussprechen –, zu der wir uns zwingen.
    Die Leute hören nur auf unbequeme Wahrheiten.
    Wenige von uns können Wohlstand ertragen. Den eines anderen, meine ich.Ein Mitglied der Menschheit würde niemals auf den Gedanken kommen, zum Wohle der Menschheit einen Plan zu entwerfen, der ihm nicht selbst zum Vorteil gereicht.
    Manchmal besitzt ein Mensch keine schlechten Gewohnheiten, aber schlechtere.
    Der Mensch ist das vernünftige Tier. So wird behauptet. Ich meine, darüber lässt sich streiten.
    Der Mensch ist das einzige Tier, das errötet. Oder es nötig hat.
    Was sklavische Nachahmung anbelangt, ist der Mensch dem Affen immer überlegen. Dem Durchschnittsmenschen mangelt es an einer eigenständigen Meinung. Er ist nicht daran interessiert, sich durch Studium und Reflexion eine eigene Meinung zu bilden, sondern allein darauf bedacht, die Meinung seines Nachbarn herauszufinden und diese sklavisch zu übernehmen.Vergötterung – ob ausgesprochen oder nur angedeutet. Niemals vonnöten; niemals verdient, von keinem Menschen. Was muss ein König leiden! Denn in seinem tiefsten Herzen weiß er, dass er wie wir alle ein armer wertloser Erdenwurm ist, eine Spottgeburt, die größte Fehlgeburt, die der Schöpfer ersonnen hat, moralisch allen Tieren unterlegen, in der einen oder anderen herausragenden körperlichen Eigenschaft jedem einzelnen unterlegen, nur in einem Talent ist er ihnen überlegen und selbst in diesem einen nicht so, wie er es einschätzt – seinem Intellekt.
    Äonenlang musste schon ein wirklich dürftiges Tier sein, was dem Menschen an bestimmten herausragenden Fähigkeiten nicht ungeheuer überlegen war. Zu Beginn verfügte der Mensch nur über die kümmerliche Kraft seiner unbewaffneten Hände, um sein Leben zu schützen, und wenn ihn der Löwe, der Tiger, der Elefant, das Mastodon
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