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Lautstärke beweist gar nichts - respektlose Wahrheiten

Lautstärke beweist gar nichts - respektlose Wahrheiten

Titel: Lautstärke beweist gar nichts - respektlose Wahrheiten
Autoren: Aufbau
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Bedürftigsten, später mit Getreide und Öl für Wähler, die nicht ganz so arm waren, noch später mit Getreide und Öl für so ziemlich jeden, der eine Wahlstimme zu verkaufen hatte – das genaue Gegenstück zu unserer eigenen Geschichte. Zuerst gewährten wir den invaliden Soldaten des Bürgerkrieges zu Recht und aus einem sauberen und ehrenhaften Beweggrund eine Pension, die ihnen verdientermaßen zukam. Hier begann und endete der saubere Beweggrund. Wir haben seither der Pensionsliste viele und überraschende Ergänzungen angefügt, doch aus einem Beweggrund, der die Uniform und die Kongresse, die für die Ergänzungen gestimmt haben, entehrt, denn die einzige Absicht hinter den Ergänzungen war der Kauf von Wahlstimmen. Das ist wieder die Sache mit dem Getreide und Öl und dürfte einen erheblichen Beitrag zum Sturz der Republik leisten und zur Errichtung derMonarchie an ihrer statt. Die Monarchie würde sowieso, auch ohne diesen Umstand kommen, aber gerade er ist für uns besonders interessant, indem er den Termin wesentlich schneller heranrücken lässt. Wir haben dieselben zwei Bedingungen wie Rom aufzuweisen: ungeheuren Reichtum mit seiner unvermeidlichen Korruption und moralischen Auflösung und die Getreide-und-Öl-Pensionen – das heißt Wahlbestechungen, die Tausende davon in Versuchung geführte Männer ihres Stolzes beraubt und zu willfährigen, schamlosen Almosenempfängern gemacht haben.
    Es ist sonderbar – sonderbar, dass in der Welt physischer Mut so weit verbreitet und moralischer Mut so selten ist. Vor ein, zwei Jahren fragte mich ein Veteran des Bürgerkrieges, ob mich nicht manchmal das Verlangen packe, dem alljährlichen Treffen der Großen Armee der Republik beizuwohnen und dort eine Rede zu halten. Ich musste gestehen, dass ich den für das Wagnis erforderlichen moralischen Mut nicht aufbrächte, denn ich würde das Verlangen empfinden, den alten Soldaten Vorwürfe zu machen, weil sie nicht in empörtem Protest gegen die Ergänzungen der Pensionsliste durch unsere Regierung aufstünden, die allein dem Stimmenfang dienen und ihnen für den ganzen Rest ihres tapferen Lebens die Schamröte ins Gesicht treiben müssten. Ich würde mich vielleicht bemühen, diese Worte zu sprechen, brächte aber nicht den Schneid auf und würde versagen. Ich wäre ein auf schwachen Füßen stehender moralischer Feigling, der sich bemühte, ein Haus voll Leutenseines Schlages zu tadeln – Männer, die fast so ängstlich wären wie er selbst, aber bestimmt nicht ängstlicher.
    Nun, so steht es – ich bin ein moralischer Feigling wie alle anderen, und doch finde ich es erstaunlich, dass von den Hunderttausenden physisch furchtloser Männer, die auf hundert blutgetränkten Schlachtfeldern dem Tod entgegensahen, ohne mit der Wimper zu zucken, auch nicht ein einziger so viel Mut aufgebracht hat, aufzustehen und tapfer den Kongress zu verfluchen, der ihn mit dem Postenjäger und seinen Bastarden auf eine Stufe gestellt, erniedrigt hat. Jeder lacht über das groteskeste, das schamloseste, das durchsichtigste, das einzige offen ungesetzliche von allen Gesetzen – die unsterbliche Durchführungsbestimmung Nummer 78. Jeder lacht – insgeheim, jeder höhnt – insgeheim, jeder ist empört – insgeheim, jeder schämt sich, einem echten Soldaten ins Gesicht zu schauen – aber keiner bringt seine Empfindungen an die Öffentlichkeit. Das ist vollkommen natürlich und völlig unvermeidlich, denn es liegt in der Natur des Menschen, dass er es hasst, Unangenehmes auszusprechen. Das ist sein Charakter, seine Natur; es ist immer so gewesen, sein Charakter kann sich nicht ändern; wie lange er auch noch existiert, er wird sich um keine Schattierung ändern.

Runzeln sollen nur andeuten,
wo das Lächeln lag
    Kein Lebensabschnitt sei so angenehm wie das achte Jahrzehnt. Das stimmt. Ich bin gerade siebzig geworden und genieße es sehr.
    Es ist schrecklich, alt zu werden. Nach und nach büßt man seine Fähigkeiten und seine Anziehungskraft ein und wird lästig. Die Leute versuchen einem vorzumachen, man sei nicht lästig. Aber ich weiß, dass ich lästig bin.
    Mit vierundzwanzig hat ein Mädchen das Leben von seiner besten Seite gesehen – das Leben als glücklichen Traum. Nach diesem Alter beginnen die Risiken; kommt die Verantwortung und mit ihr die Sorgen, die Schmerzen, die unvermeidliche Tragödie.
    Mädchen sind reizende Geschöpfe. Ich werde zweimal siebzig Jahre werden müssen, bevor ich meine Meinung dazu
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