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Lautloses Duell

Titel: Lautloses Duell
Autoren: Jeffery Deaver
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Valley.
    Wyatt Gillette hätte den Polizisten sagen können, dass sie deshalb keine Schuldgefühle zu haben brauchten; das Blaue Nichts tolerierte Hinterlist weit eher als Inkompetenz.
    Auch im Rahmen einer zweiten Aufgabe hatte der Hacker die Erlaubnis erhalten, online zu gehen: Er sollte Einblick in die Anklage gegen David Chambers nehmen, den entlassenen Chef der Criminal Investigation Division des Verteidigungsministeriums. Frank Bishop, Captain Bernstein und die Bundesstaatsanwaltschaft hatten ihrer Vermutung Ausdruck verliehen, dass die privaten und geschäftlichen Computer des Mannes von Phate gehackt worden waren, um Chambers aus dem Dienst zu entfernen, Kenyon oder einen seiner Lakaien auf seinen Stuhl zu setzen und Gillette wieder ins Gefängnis zu bringen.
    Der Hacker brauchte nur eine Viertelstunde, um den Beweis dafür zu finden und downzuloaden, dass die Dateien des Mannes tatsächlich geknackt und seine Börsengeschäfte und Auslandskonten von Phate frei erfunden worden waren.
    Die Anklage gegen ihn wurde fallen gelassen, und er wurde wieder in Amt und Würden gesetzt.
    Es gab auch kein Verfahren gegen Wyatt Gillette wegen seines Standard-12-Hacks, auch nicht gegen Frank Bishop, weil er Gillette bei der Flucht aus der CCU geholfen hatte. Das Justizministerium kam zu dem Schluss, die Ermittlungen einzustellen, und das nicht, weil man glaubte, dass Phate das Programm, mit dem sich Standard-12 knacken ließ, allein gehackt hatte, sondern auf Grund einer Revisionsprüfung des Verteidigungsministeriums, die zu untersuchen hatte, weshalb fünfunddreißig Millionen Dollar für ein Verschlüsselungsprogramm ausgegeben worden waren, das in hohem Maße unsicher war.
    Im Kielwasser der Affäre David Chambers wurde das mörderische Spiel, das Phate in Washington, Portland und im Silicon Valley gespielt hatte, in der Presse an die große Glocke gehängt. Die schmutzige Wäsche aus dem Internet wurde in der Sensationspresse öffentlich gewaschen. Im Kongress gab es Anhörungen zum Thema Verbesserung der Internet-Sicherheit, und die Werbung sämtlicher Aktienfirmen und Banken konzentrierte sich eine Weile nicht auf ihre Fähigkeit, das Geld der Kunden zu vermehren, sondern auf ihre herausragenden Sicherheits- und Verschlüsselungstechnologien.
    Kurze Zeit später brachen die Unruhen auf dem Balkan aus, und die Hacker-Hysterie war über Nacht aus den Medien verschwunden.
    Das Leben im sich unaufhörlich erweiternden Blauen Nichts kehrte wieder in ruhigere Bahnen zurück.
    An einem Dienstag Ende April, als Gillette gerade in seiner Zelle vor seinem Laptop saß und einen Teil von Shawns Betriebssystem untersuchte, kam der Aufseher an die Tür.
    »Besuch, Gillette.«
    Wahrscheinlich Bishop, dachte er. Der Detective arbeitete immer noch an dem MARINKILL-Fall und verbrachte viel Zeit nördlich von Napa, wo sich die Verdächtigen angeblich versteckt hielten. (Sie waren nie im Santa Clara County gewesen. Allem Anschein nach hatte Phate die meisten Hinweise in Bezug auf die Mörderbande nur zum Zweck zusätzlicher Ablenkung an die Presse und an die Polizei verschickt.) Doch Bishop machte eigentlich nur dann in San ’Ho Halt, wenn er ohnehin in der Gegend war. Bei seinem letzten Besuch hatte er Gillette eine Tüte Pop-Tarts und ein paar Gläser von Jennys selbst gemachter Aprikosenmarmelade aus dem eigenen Obstgarten mitgebracht. (Nicht gerade seine Lieblingsmarmelade, aber damit ließ sich im Gefängnis hervorragend Handel treiben – die besagte Lieferung hatte er gegen diesen Walkman getauscht, aus dem sich, wenn man unbedingt
wollte,
ein Modem basteln ließ. Aber eigentlich wollte Gillette ja die Finger davon lassen.)
    Es war aber nicht Bishop, der ihn besuchen kam.
    Gillette ließ sich in der von Trennwänden begrenzten Nische nieder und sah, wie Elana Papandolos hereinkam. Sie trug ein marineblaues Kleid. Ihr dunkles, kräftiges Haar war nach hinten gekämmt. Es war so dick, dass es die mit Samt überzogene Spange zu sprengen drohte. Als sein Blick auf ihre kurz geschnittenen, perfekt gefeilten und lavendelfarben lackierten Fingernägel fiel, kam ihm ein Gedanke, der ihm bisher noch nie gekommen war: nämlich dass Ellie als Klavierlehrerin ihren Lebensunterhalt ebenfalls mit den Händen verdiente – genau wie er es getan hatte – und dass ihre Finger trotzdem wunderschön waren, nicht einmal von der klitzekleinsten Schwiele verunstaltet.
    Sie setzte sich und rückte den Schemel näher heran.
    »Du bist ja immer noch
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