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Lautloses Duell

Titel: Lautloses Duell
Autoren: Jeffery Deaver
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Phate und einer blonden Frau, am Strand, beim Reiten, Arm in Arm auf einer Bergspitze in einem bekannten Ski-Ort, beim Tanzen auf ihrer Hochzeit. Urlaube, Fußballtraining, Weihnachten, Ostern. Dazu jede Menge Bilder von den Kindern in verschiedenen Altersstufen.
    Ach ja, ich würde Sie ehrlich gerne mal zum Essen einladen oder so was, aber diese neue Firma nimmt mich ziemlich hart ran … Wahrscheinlich schaffen wir’s, wenn erst mal die Familie hier ist. Kathy managt unsere Sozialkontakte …außerdem kocht sie wesentlich besser als ich. Na denn, tschüss, wir sehen uns.
    Und die Nachbarn würden ihre Flasche Wein oder die Plätzchen oder die Begonien dalassen und wieder nach Hause gehen und nicht im Traum darauf kommen, dass die ganze Vorstellung im besten Sinne des kreativen Social Engineering wie ein perfektes Schauspiel inszeniert war.
    Genau wie die Bilder, die er Lara Gibson gezeigt hatte, waren auch die Familienfotos an seinem Computer entstanden: Sein Gesicht war an die Stelle eines männlichen Models gerückt, Kathys Gesicht sah absolut durchschnittlich weiblich aus, archetypische Züge, die er aus dem Gesicht eines Models einer Frauenzeitschrift gemorpht hatte. Die Kinder stammten aus einer
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. Letztendlich war das ganze Haus lediglich Fassade. Wohnzimmer und Diele waren die einzigen eingerichteten Räume– und auch das nur, um die Leute zu narren, die eventuell bei ihm klingelten. Im Schlafzimmer stand nicht mehr als eine Pritsche und eine Lampe. Das Esszimmer – Phates Büro – war mit Tisch, Lampe, zwei Laptop-Computern und einem Schreibtischstuhl möbliert, Letzterer allerdings ausgesprochen komfortabel, da er so viele Stunden darauf verbrachte. Im Keller … doch, im Keller gab es noch ein paar andere Dinge, aber die waren erst recht nicht für die Augen der Öffentlichkeit bestimmt.
    Zur Not konnte er das Haus jederzeit verlassen und alles stehen und liegen lassen, und er wusste, dass diese Notwendigkeit immer eintreten konnte. Alle seine wichtigen Sachen – seine richtigen Computer, die alten Modelle, die er leidenschaftlich sammelte, seine ID-Maschine sowie die Computerteile, die er kaufte und verkaufte, um sich seinen Lebensunterhalt zu finanzieren – waren mehrere Kilometer entfernt in einem Lagerhaus untergebracht. In dem Wohnhaus gab es nichts, was die Polizei an diesen Ort führen konnte.
    Phate ging ins Wohnzimmer, setzte sich an den Tisch und schaltete einen Laptop an.
    Der Bildschirm erwachte zum Leben, ein C:< Prompt erschien, und mit dem Auftauchen dieses blinkenden Symbols erwachte auch Phate von den Toten.
    Wer willst du sein?
    Tja, in diesem Augenblick war er nicht mehr Jon Patrick Holloway oder Will Randolph oder Warren Gregg oder James L. Seymour oder eine der anderen Figuren, die er erschaffen hatte, allesamt Gestalten, die in der realen Welt gefangen waren. Jetzt war er Phate. Nicht mehr das blonde, knapp einsachtzig große Wesen, das ziellos zwischen dreidimensionalen Wohnhäusern, Bürogebäuden, Läden, Flugzeugen, Schnellstraßen und braunen Rasenflächen, Drahtzäunen, Halbleiterfabriken, Einkaufszentren und Leuten und Leuten und Leuten und Leuten herumwanderte, die so zahlreich und unbedeutend waren wie digitale Bytes …
    Ausnahmslos unecht und langweilig und deprimierend.
    Das hier war seine Realität, die Welt hinter seinem Monitor.
    Er gab ein paar Befehle ein und lauschte mit aufgeregtem Flattern im Unterleib dem an- und abschwellenden Pfeifen des sinnlichen elektronischen Handschlags seines Modems (die meisten echten Hacker würden nicht daran denken, lahme Modems und Telefonverbindungen zu benutzen, sondern natürlich via Glasfaserkabel online gehen. Aber Phate hatte ein paar Kompromisse eingehen müssen. Weitaus wichtiger als Geschwindigkeit war die Fähigkeit, seine Spuren in Abermillionen von Telefonkabelkilometern auf der ganzen Welt zu verstecken.)
    Sobald er im Netz war, schaute er zuerst nach E-Mails. Briefe von Shawn hätte er sofort geöffnet, aber es waren keine da; die anderen hatten bis später Zeit. Er verließ das Mail-Programm und gab einen anderen Befehl ein. Auf dem Bildschirm klappte ein Menü auf.
    Als er im vergangenen Jahr mit Hilfe von Shawn die Software für Trapdoor geschrieben hatte, hatte er sich dazu entschieden, das Menü sehr benutzerfreundlich zu gestalten – obwohl er der einzige Benutzer bleiben würde. Ganz einfach aus dem Grund, weil man es so machte, wenn man ein genialer Codeslinger war, ein echter
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