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Lautlos

Lautlos

Titel: Lautlos
Autoren: Frank Schätzing
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thematisierten. Es gab keine Bilder des Präsidenten auf Krücken oder im Rollstuhl. Keine Zensur hätte es verboten, aber man war der Ansicht, es ginge um Politik und Integrität und um nichts anderes. Demgegenüber guckte man Clinton in die Hose, und seine Inquisitoren mit ihren moralisierenden Parolen weideten sich genüsslich und öffentlich an der Tatsache, dass der Präsident einen krumm gewachsenen Penis hat. So viel zum Stil der aktuellen politischen Auseinandersetzung.
    Immerhin haben die Reaktionäre ihre Schlammschlachten bisher verloren. Wohl, weil sie in ihrem Hass und ihrer Verblendung übersehen haben, dass sie mit der Veröffentlichung des Kenneth-Starr-Reports eine unsichtbare Grenze überschritten haben, die ihnen zwar das Interesse der Bevölkerung sicherte, zugleich aber deren Abscheu eintrug. Sie haben darum verloren. Dennoch ist unverkennbar, dass sich hier beispielhaft eine neue Unkultur anbahnt, welche die politischen Auseinandersetzungen der Zukunft zu bestimmen droht.
    Auch Europa ist von solchen Entwicklungen im Ansatz betroffen. Wenn sich erst rechte Lobbyisten mit religiösen Fundamentalisten zusammentun, haben wir die Lewinsky-Affäre morgen in Deutschland mit all ihren fatalen Folgen.
ÜBER LICHTBREMSUNG
    Nicht Professor Dr. Liam O'Connor ist es gelungen, das Licht abzubremsen, sondern dem Münchner Physiker Achim Wixforth.
    Licht hat ein paar überaus interessante Eigenschaften für die Datenübermittlung. Zum einen sind Photonen (Lichtteilchen) virtuell, sprich körperlos, zum zweiten legt Licht in der Sekunde 300000 Kilometer zurück. Das heißt, mittels Lichtimpulsen lassen sich ungeheure Datenmengen in atemberaubender Geschwindigkeit übermitteln. Darum werden unzählige Kilometer Glasfaserkabel täglich in der Erde verlegt, um die Datennetze von morgen zu knüpfen.
    Die Geschwindigkeit ist aber zugleich auch das Problem. Um Lichtimpulse zu verlangsamen – genauer gesagt, um zu erreichen, dass sie verzögert eintreffen – müssen Techniker derzeit endlose Mengen Glasfaserkabel in ihre Netze schalten, die um Spulen gewickelt sind. Sie müssen das Licht auf einen zeitraubenden Umweg schicken, um millionstel Sekunden herauszuschinden.
    Könnte man Licht hingegen nach Belieben verlangsamen und wieder beschleunigen, täten sich ungeahnte Möglichkeiten auf – bis hin zu optischen Computern, die gewaltige Datenmengen in Geschwindigkeiten verarbeiten können, wie es kein gängiger Computer kann.
    Der Forschungsgruppe um Achim Wixforth ist es gelungen, das Licht in eine Falle zu locken. Wixforths Lichtbremser ist ein wenige Millimeter großer Kristall. Man nennt solche Kristalle Quantentöpfe. Sie bestehen aus verschiedenen Galliumarsenid-Verbindungen und sind eigentlich nichts Besonderes. Man findet sie als Basis vieler Halbleiter-Bauelemente, zum Beispiel in den Lasern von CD-Playern.
    Wenn man Licht in einen solchen Kristall schickt, entstehen darin positive und negative Ladungen, die einander sogleich vernichten und ihrerseits einen Lichtblitz erzeugen. Vereinfacht gesagt – das Licht flitzt durch den Kristall mit der üblichen Geschwindigkeit. Wixforth hat nun zeitgleich mit dem Lichtimpuls Schall in den Kristall geschickt. Die Schallwellen sind winzig, nur millionstel Millimeter hoch, aber wir müssen uns das Ganze auf dem Gebiet der Nanostrukturen vorstellen. Und da präsentiert sich der Effekt plötzlich anders. Im Kristall entsteht ein regelrechtes Erdbeben. Man kann sich auch vorstellen, dass es zugeht wie auf der Oberfläche eines stark bewegten Ozeans. Riesige Wellen treffen hintereinander ein. Sie zwingen das Licht, auf ihrer Oberfläche zu surfen, auf und ab.
    Gemessen an der Lichtgeschwindigkeit bewegen sich die abgebremsten Lichtimpulse nun geradezu im Kriechtempo. In der Zeit, die ein Lichtstrahl für gewöhnlich braucht, um einen Kilometer zurückzulegen, schaffen die surfenden Lichtimpulse eben mal einen Zentimeter.
    Wixforth will dieses System weiterentwickeln, und der Effekt könnte in der Tat bahnbrechend sein. Je besser es gelingt, Licht durch gezielt eingesetzte Schallwellen zu domestizieren, desto größer können die Speicherkapazitäten werden. Ein Kristall, der einen Lichtimpuls eine Sekunde lang festhielte, weil die Schallwellen die Lichtimpulse im Kreis herumschubsen, wäre eine phantastische Leistung – es würde das Licht immerhin daran hindern, in dieser Zeit 300000 Kilometer zurückzulegen.
    Leider hat Wixforth bis heute nicht die Aufmerksamkeit für
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