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Lautlos im Orbit (1988)

Titel: Lautlos im Orbit (1988)
Autoren: Klaus - Lautlos im Orbit Frühauf
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Irgendwie mag ich ihn. Und wenn ich es mir genau überlege, dann muß ich mir eingestehen, daß mir eigentlich keiner von ihnen ganz gleichgültig geblieben ist. Selbst Glenn Morris nicht.
    »Du wirst dich jetzt auf die hinteren Sitze legen, die Gurte befestigen und deinen schönen goldenen Skaphander aufblasen, Harold«, erkläre ich ihm.
    Obwohl er längst eingesehen haben muß, daß es sinnlos wäre, sich nicht zu fügen, kommt er meiner Aufforderung nicht nach. Er hockt zusammengekrümmt in seinem Sessel, schnauft und würdigt mich weder eines Blickes noch eines Wortes. Er denkt überhaupt nicht daran, sich zu bewegen.
    »Nun mach schon!« dränge ich ihn und verstärke den Druck des Lasers.
    »Nein!« zischt er, ohne dabei den Kopf zu wenden. »Dann, Harold, bleibt mir keine Wahl. Leider!« Ich nehme den Laser auf kleinste Schußentfernung zurück und hebe ihn so weit an, daß der Kühlkopf des Laufes auf den Brustkorb gerichtet ist.
    Vielleicht war es der Ton, vielleicht die Bewegung, jedenfalls öffnet er jetzt seine Gurte und schiebt sich vom Sessel ab. Dies ist ein sehr kritischer Moment, er schwebt seitlich über mir, jetzt auf ihn zu schießen wäre auch für mich tödlich. Doch nun, da er einmal nachgegeben hat, ist seine Kraft wohl gänzlich verbraucht. Ich kann ihn wie einen Gegenstand über mich hinweg auf die hinteren Sitze bugsieren, und als ich »Hinlegen!« kommandiere, streckt er sich gehorsam aus. Ich lasse die Verschlüsse beider Gurte einrasten, einer hält seinen Oberkörper und der andere seine Beine. Newman hat die Augen geschlossen, als könnte er es nicht mehr ertragen, mein Gesicht zu sehen.
    Nachdem ich seinen Skaphander über das Handventil aufgeblasen habe, liegt er auf den hinteren Sesseln wie eine in Gold getauchte Riesenraupe. Er kann jetzt nicht einmal mehr die Finger rühren.
    Als ich ihn ein letztes Mal betrachte, schlägt er die Augen auf, und sein Gesicht verzerrt sich in ohnmächtigem Zorn.
    Dann wechsle ich hinüber auf seinen Sitz. Ich höre seinen Atem überlaut hinter mir, verstärkt durch die schalltragende Atmosphäre seines Skaphanders.
    Tief unter mir kommt die Küste Ostsibiriens in Sicht. Die Odin liegt fast genau im Zentrum des Zielsuchers. Ich drehe den roten Auslöseknopf um etwa dreißig Grad nach links, spüre den Widerstand der Raste und drehe ihn um fünfzehn Grad zurück. Mein Finger liegt leicht auf der kühlen Wölbung des Tasters.
     
    Wenn du mit Unerwartetem, Außergewöhnlichem konfrontiert wirst, dann kann es geschehen, daß die Zeit an dir vorbeiläuft, ohne dich zu berühren. Für eine gewisse Spanne ist es, als existiertest du nicht; kaum die Zeit eines Lidschlages scheint vergangen zu sein, und wenn du erwachst, dann sind doch viele Sekunden dahin.
    Als das Land unter mir verschwand, muß ich wohl – der emotionalen Belastung nachgebend – aus der Zeit hinausgetreten sein, und als ich zurückkehrte, war es bereits zu spät.
    Ich konnte diesen ungewöhnlichen Vorgang, der sich dort tief unter mir auf der Erde abspielte, zumindest am Anfang sehr genau verfolgen. Solche Ereignisse sind dazu angetan, die Sinne zu schärfen. Trotzdem fällt es mir schwer, zu beschreiben, was geschah, denn ich habe noch nie in meinem Leben Vergleichbares gesehen.
    Aus der Flughöhe der Arrow wirkte das Land wie eine in sich stark gegliederte Fläche aus dem Weiß der schneebedeckten Berge, dem bräunlichen Grau des gefrorenen Tundrabodens und den Mäandern einiger weniger Flüsse, deren Wasser mehr schwarz als blau war. Begrenzt wurde mein Blickfeld durch das weißlichblaue Meer im Norden und das stumpfe Grün der Wälder im Süden. Mir fiel auf, daß sich der pastellene Regenbogen am Horizont auf den Bereich im Norden und Westen beschränkte.
    Dann geschah unter mir etwas, was entfernt an das Farbenspiel erinnerte, das Öltropfen auf einer unbewegten Wasserfläche hervorrufen. Sie breiten sich sehr schnell aus, wobei sie in allen Farben schillern, und wenn sie schließlich ineinandergeflossen sind, decken sie die ganze Fläche mit einem glänzenden Film ab.
    Ähnlich war es hier. Von mehreren Zentren ausgehend, überzog sich das Land mit einer Art Nebel, der zwischen mattem Grau und leuchtendem Violett irisierte. Es war ein Schauspiel, das mir den Atem benahm.
    Im selben Augenblick wußte ich, daß Glenn Morris versuchen würde, mit uns Funkkontakt aufzunehmen. Er mußte wissen, daß diese Schicht hellvioletten Nebels, oder was es sonst sein mochte, die Strahlen
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