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Lautlos im Orbit (1988)

Titel: Lautlos im Orbit (1988)
Autoren: Klaus - Lautlos im Orbit Frühauf
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kann es sein, daß sie noch einige ihrer Scheinangriffe fliegen, zum Äußersten, zum Angriff, zum ersten Schlag werden sie sich aller Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft nicht entschließen. Die Gründe dafür, scheint mir, liegen auf der Hand. Sie werden bis zuletzt versuchen, sich den Anschein der Makellosigkeit zu bewahren. Weil sie in ihr eine ihrer Hauptwaffen sehen. Das ist es! Ein einziger Akt der Aggression könnte zum Verlust ihres Prestiges führen, denn dann hätten sie mit einem einzigen Schlag offenbart, was sie wirklich wollen. Die absolute und uneingeschränkte Macht auf Erden.
    Und da sie sich jetzt auf dem besten Weg glauben, diese Macht ohne den Einsatz von Waffen, sprich: ohne Verluste zu erringen, werden sie alles vermeiden, was das bereits Erreichte noch im letzten Moment aufs Spiel setzen könnte.
    Diese vorgebliche Friedensliebe, meine Herren, ist durchaus nicht ohne praktische Gründe. Sie dient der Schaffung eines Images, und der größte Teil der Menschheit ist, wie ich zugeben muß, darauf hereingefallen.
    Ich sehe also beim besten Willen keinen Anlaß, unsere Marschroute auch nur im mindesten zu ändern. Im Gegenteil, denn diese Konstellation bietet uns gute Chancen, die Verhältnisse umzukehren. Ich hoffe, ich bin verstanden worden.«
    Wie konnte ich nur annehmen, der Commander sei imstande, zu einer neuen Einstellung zu gelangen? Ich hätte es nach allem besser wissen müssen. Denn seine Überlegungen sind vorprogrammiert wie seine Entschlüsse. Er ist ein Hai. Nein, er ist schlimmer. Denn Haie sind, wie man hört, bis zu einem gewissen Grad lernfähig. Der Commander ist es nicht. Und das Furchtbarste dabei ist, daß er aus tiefster Überzeugung handelt.
    Dabei hat er doch längst nicht mehr die geringste Chance, sein Ziel zu erreichen. Und wir stehen mit ihm auf verlorenem Posten, abkommandiert zum Sterben, Kaninchen, Ratten.
    Und dieser Glenn Morris schwatzt davon, die Verhältnisse umkehren zu wollen. Sie sind längst unumkehrbar. Nicht derentwegen, die er als seine Todfeinde betrachtet, die mit uns zu spielen scheinen, auftauchend und verschwindend, wann und wo sie wollen, sondern wegen der Milliarden Friedwilliger, zu denen ich auch die »paar tausend Ignoranten« zähle, die seinen Präsidenten zur Flucht gezwungen haben.
    Vielleicht wird er sich die Genugtuung verschaffen können, einen fürchterlichen Schlag geführt zu haben, zu einem zweiten wird er die Gelegenheit nicht mehr finden, denn diese kleinen silbrigen Vögel werden den Adler nach dem ersten Angriff zerreißen.
    Nur einen Ausweg gäbe es, den Rückzug. Doch der ist ihm versperrt. Durch Strukturen, die er nicht zu beeinflussen vermag. Oder kann man Herrschsucht und Überheblichkeit abstreifen wie ein zerrissenes Hemd?
    Nein, die Odin wird angreifen und untergehen. Jeder hier in der Zentrale weiß das, kennt den Zeitpunkt seines Todes, und doch spricht niemand davon. Ich weigere mich, ein solches Verhalten als vernünftig zu akzeptieren, von dem ich nicht weiß, wie ich es nennen soll. Vielleicht sind wir noch am ehesten den Lemmingen vergleichbar, die unbeeindruckt in den Tod ziehen. Aber auch das stimmt nicht, denn Lemminge ertränken sich selbst, nicht die anderen.
    Dabei wäre es viel zu einfach, von Dummheit zu sprechen. Und vor allem wäre es falsch. Denn dieses Verhalten geht auf Strukturen unseres Bewußtseins zurück, die sich vor Jahrtausenden in dieser Art ausgeprägt haben. Möglicherweise waren sie in grauer Vorzeit notwendig, heute sind sie gefährlich.
    Aber solche Strukturen sind nicht über Nacht zu korrigieren, vor allem nicht, wenn sie sich dazu eignen, Herrschaft auszuüben.
     
    Wir stehen über Westeuropa. Die Nacht ist vorbei. Das, was wir hier an Bord Nacht nennen. Europa liegt im strahlenden Glanz der Vormittagssonne.
    »Hat jemand der Herren einen Vorschlag, wie unsere neue Taktik aussehen könnte?« Der Commander streicht ein paar Falten aus seinem neuen Skaphander und richtet sich im Sessel auf. Selbst im Sitzen ist er einige Zentimeter größer als die Größten von uns anderen. Er überragt selbst Brake beträchtlich.
    Ebensogut hätte er fragen können, welche Art zu sterben wir bevorzugen, die Auswahl ist nicht eben gering. Man könnte verbrennen, atomisiert werden, langsam verdorren, wie ein an die Oberfläche des Meeres geförderter Tiefseefisch platzen, man könnte zerstrahlt werden, zerschellen… Sie haben die Wahl, meine Herren, ziehen Sie Ihre Lose aus dem Hut. Oh, mein
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