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Lauter Bräute

Lauter Bräute

Titel: Lauter Bräute
Autoren: Bernard Glemser
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durchspielen. Ab Montag würde das Foyer Miß Gordons Verantwortung sein. Heute war es noch die meine. Kirkpatrick kam einige Male hereingewandert, aber er inspizierte nicht mich, sondern die Menge; er fragte nicht mich, sondern die stellvertretende Einkäuferin, die zufällig Miß Evans hieß: »Ist alles in Ordnung?« Und Miß Evans antwortete: »Ja, bestens.« Wir waren wieder Fremde. Jener Kuß war aus den Büchern gestrichen. Er hatte sich entschuldigt. Aber — sich für einen Kuß entschuldigen! Jedesmal, wenn ich wieder daran dachte, begann ich von neuem zu beben.
    Wir hatten die üblichen kleinen Merkwürdigkeiten, doch nichts Besonderes. Einmal kam Miß Greene sehr aufgeregt zu mir und sagte, sie habe eine Kundin in Anprobe 4, doch sie ängstige sich, wieder hineinzugehen. Als ich sie nach dem Grund fragte, jammerte sie: »Ich habe Angst, das ist alles.« Ich ging schnell und warf einen Blick in die Anprobe 4, und einen Moment lang bekam ich es mit der Angst. Das Mädchen drinnen war praktisch nackt, mit Ausnahme einer Chirurgenmaske vor dem Gesicht. Reichlich hochmütig erklärte sie, sie sei Krankenschwester, mit einem Arzt verlobt, und sie ergreife lediglich elementarste Vorsichtsmaßregeln gegen Krankheitserreger aus der Luft. Ehrlich interessiert fragte ich sie: »Tragen Sie die Maske auch, wenn Sie im Bus fahren?«, worauf sie kalt erwiderte: »Ich fahre nur Taxi.«
    Wieder im Foyer, eilte Roberta Willis auf mich zu. »Miß Evans, vor ein paar Minuten kam ein komischer, kleiner Mann herein, und er will mir nicht sagen, was er will.«
    »Wo ist er?«
    Sie brauchte ihn mir kaum zu zeigen. Er stand mitten im Salon und war zweifellos ein komischer, kleiner Mann; untersetzt und so rund, als habe ihn einer mit einer Fahrradpumpe aufgeblasen, mit einem grauen Mantel, der ihm zu klein war; mit einem schwarzen Praline in einer Hand und einem großen, in Geschenkpapier gewickelten Paket in der anderen. Er blickte in die Runde, verwirrt und gleichzeitig hingerissen von seiner Umgebung. Er hatte ein rundes, rosiges Gesicht, blaßblaue Augen und zerzauste graue Locken.
    »Keine Angst«, sagte ich zu Roberta, ging auf den Mann zu und sagte: »Guten Morgen, Sir. Kann ich Ihnen behilflich sein?«
    Er zwinkerte mich überrascht an. »Ob Sie mir behilflich sein können? Ich weiß nicht recht. Wie wollen Sie mir behilflich sein?«
    Einen Moment verschlug es mir die Sprache, dann sagte ich: »Sehen Sie, Sir, dies ist der Brautsalon — «
    »Ach so, das ist es! Der Brautsalon! Ich wußte gar nicht, was all die Menschen hier wollen. — Sie möchten sicher, daß ich gehe, nicht wahr?«
    Er war wirklich ein merkwürdiger, kleiner Mann. Ich erklärte: »Im Grunde ist das hier für junge Damen, die heiraten wollen. Sie suchen sich hier ihre Brautkleider aus.«
    »Das ist mir klar«, erwiderte er gereizt. »Ich bin nicht so verrückt wie Sie denken.« Damit begann er sich zu trollen, blieb stehen und warf mir einen boshaften Blick zu. »Brautsalon, tatsächlich«, kicherte er dann in sich hinein. »Haha! So ein Spaß!« Damit trabte er davon, immer noch vor sich hinmurmelnd, und ich kehrte zu Roberta zurück.
    »Der kann einem Angst machen, nicht?« sagte Roberta.
    »Ich halte ihn für harmlos. — Roberta, wenn irgend jemand kommt, der Ihnen Angst macht, ich bin nicht da, und keine von den Beraterinnen, dann nehmen Sie einfach den Telefonhörer auf und wählen 333. Wissen Sie, was das für eine Nummer ist?«
    »Nein, Miß Evans.«
    »Das ist die Sicherheitsabteilung. Wenn sie antworten, sagen Sie einfach Brautausstattungen und hängen wieder auf. Die schicken dann innerhalb von zehn Sekunden jemanden her.«
    »Ja, Miß Evans.«
    »Wir haben es häufiger mit so durchgedrehten Typen zu tun, und dafür ist die Sicherheit da. Sie brauchen in Zukunft also wirklich keine Angst zu haben: wählen Sie einfach die magische Zahl.«
    Sie lachte. »Ich werde es mir merken.«

    Um ungefähr halb zwölf rief Jean Ehrlich mich an und fragte: »D., haben Sie sehr viel zu tun?«
    »Ja, habe ich. Warum?«
    »E. D. läßt fragen, ob Sie eine Minute Zeit für ihn haben.«
    »Jetzt?«
    »Sofort.«
    Da gab es kein Entrinnen. Ich mußte gehen. Mr. Cavanaughs Wunsch war für mich Befehl. Vivienne Gordon war mit einer ganzen Meute in der großen Anprobe beschäftigt; alle Beraterinnen, einschließlich unserer Neuen, Nancy Webster, arbeiteten wie die Ameisen; so mußte ich es Roberta Willis überlassen, die Neuankömmlinge zu begrüßen. Ich erklärte
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