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Lausbubengeschichten. Aus meiner Jugendzeit

Lausbubengeschichten. Aus meiner Jugendzeit

Titel: Lausbubengeschichten. Aus meiner Jugendzeit
Autoren: Ludwig Thoma
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lassen. Ich dachte, wenn die Kommunion vorbei ist, dann will ich ihn schon ärgern, daß er blau wird. Vielleicht mache ich seine Goldfische kaputt oder etwas anderes.
    Es waren bloß mehr fünf Tage.
    Der Tante Frieda ihre Anna durfte heuer auch zum erstenmal zur Kommunion gehen, und sie haben ein ekelhaftes Getu mit ihr. Die Anna ist eine falsche Katze, und ich habe sie nie leiden mögen, aber jetzt bin ich noch giftiger auf sie, weil die Tante Frieda immer von ihr redet und sich so dick macht damit.
    Die Tante Frieda ist die beste Freundin von der Tante Fanny, und sie sagen allemal etwas über meine Mutter, wenn sie beisammen sind.
    Am Abend ist die Tante Frieda öfter gekommen, und wie sie einmal gehört hat, daß wir Andachtsübungen machen, hat sie zum Onkel Pepi gesagt:
    »Du tust ein gutes Werk an dem Burschen; ich fürchte bloß, daß es nicht viel hilft.«
    Und dann fragte sie mich, ob ich mich auf die heilige Handlung ordentlich vorbereite.
    Ich sagte, daß ich schon zwei Wochen mich vorbereite.
    »Vorbereiten und vorbereiten ist ein Unterschied. Ach Gott,« sagte sie, »ich weiß nicht, mein Ännchen flößt mir beinahe Angst ein. So durchgeistigt kommt sie mir vor und so angegriffen von dem Gedanken an ihre erste Kommunion. Und denkt euch nur, wie das Kind spricht! Am letzten Freitag wollte ich ihr ein bißchen Fleischsuppe geben, weil sie doch schwächlich ist. Aber sie hat es um keinen Preis nicht genommen. Ich sagte, es ist doch eine Kleinigkeit. 'Nein,' sagte sie, 'liebe Mutter, kann das eine Kleinigkeit sein, was Gott beleidigt?' Und ihre Augen glänzten ganz dabei. Mir ist ganz anders geworden. Liebe Mutter, hat sie gesagt, kann das eine Kleinigkeit sein, was Gott beleidigt?«
    Tante Fanny war erstaunt und nickte mit dem Kopfe auf und ab, und der Onkel Pepi machte große Augen auf mich und hatte Wasser darin. Er sagte zu mir: »Hörst du das?«
    Ich sagte, daß ich es schon gelesen habe, weil es eine Heiligengeschichte ist, die wo in unserem Vorbereitungsbuche steht.
    Tante Frieda ärgerte sich furchtbar, daß ich es wußte. Sie sagte, daß sie es nicht glaubt, weil ich immer lüge, aber wenn es wahr ist, dann macht es auch nichts, weil man sieht, daß Ännchen die Moral in sich aufgenommen hat.
    Und sie erzählte, daß Anna gestern nicht geschlafen hat und weinend im Bett gesessen ist. »Was hast du, Kind?« hat sie gefragt. »Ich habe ein Stück Brotrinde gegessen,« hat Anna gesagt. »Warum sollst du keine Brotrinde nicht essen?« hat die Tante Frieda gefragt. »Weil das Essen schon vorbei war, und die Brotrinde war nicht für mich bestimmt, das war ein Unrecht, und ich habe so fest vorgehabt, daß ich keine Sünde mehr begehe,« hat die Anna gesagt, und sie hat noch mehr geweint. »So ist das Kind,« sagte die Tante Frieda, »sie kommt mir oft überirdisch vor, und ich kann sie nicht beruhigen.«
    »Es gibt Kinder, welche zwei und drei Mark aus einem Hosensacke stehlen und keine Unruhe verspüren,« sagte Onkel Pepi. Und die Tante Frieda wußte es schon von der Tante Fanny und sagte: »Es ist der Fluch der milden Erziehung.«
    Das habe ich alles hören müssen, und ich war froh, wie der Kommuniontag da war. Meine liebe Mutter hat mir einen schwarzen Anzug geschickt und eine große Kerze.
    Sie hat mir geschrieben, daß es ihr weh tut, weil sie nicht dabei sein kann, aber ich soll mir vornehmen, ein anderes Leben anzufangen und ihr bloß Freude zu machen.
    Das habe ich mir auch vorgenommen.
    Wir waren vierzehn Erstkommunikanten von der Lateinschule, und die Frau Pedell hat zu uns gesagt, daß sie weinen muß, weil wir so feierlich ausgesehen haben, wie lauter Engel. Der Fritz hat auch ein ernstes Gesicht gemacht, und ich habe ihn beinahe nicht gekannt, wie er langsam neben mir hergegangen ist.
    Wir waren auf der einen Seite aufgestellt. Auf der anderen Seite waren die Mädel aufgestellt von der höheren Töchterschule. Da war die Anna dabei. Sie hat ein weißes Kleid angehabt und Locken gebrennt. Ich habe sie in der Sakristei angeredet, vor wir in die Kirche hineinzogen.
    Sie sagte, daß sie heute recht heiß und innig für meine Besserung beten will.
    Ich habe mich nicht geärgert, weil ich so friedfertig war, und in der Kirche war ich nicht wie sonst. Ich habe gar nicht gemerkt, daß es lang gedauert hat, und ich habe nicht gedacht, was ich nachher tue. Ich habe gemeint, es ist jetzt alles anders.
    Viele Eltern, die da waren, haben ihre Kinder geküßt, wie alles vorbei war, und ich bin zur
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