Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lausbubengeschichten. Aus meiner Jugendzeit

Lausbubengeschichten. Aus meiner Jugendzeit

Titel: Lausbubengeschichten. Aus meiner Jugendzeit
Autoren: Ludwig Thoma
Vom Netzwerk:
der Tante etwas antue.«
    Der Fritz sagte, er will morgen anfangen, aber heute muß er noch dem Schuster Rettenberger das Fenster einschmeißen, denn er hat ihn beim Pedell verschuftet, daß er ihn mit einer Zigarre gesehen hatte.
    Ich sagte, er solle warten bis nach der Kommunion, weil ich mittun möchte, aber Fritz sagte, daß er nicht beten kann, vor er das Fenster kaputt geschmissen hat, weil er voll Zorn ist.
    Der Rettenberger lacht immer, wenn er ihn sieht, und gestern hat er ihm nachgeschrien: »Gelt, ich hab dich schön erwischt, du Lausbub, du miserabliger.«
    Da habe ich denn Fritz recht gegeben, weil es eine solche Gemeinheit ist, und ich hätte so gerne mitgetan.
    Aber es ging nicht, denn ich habe mich schon acht Tage lang vorbereitet, und da hätte ich wieder von vorne anfangen müssen. Das ist gar nicht leicht.
    Die Tante Fanny hat Obacht gegeben, daß ich nicht auslasse. Sie hat mir recht wenig zum Essen gegeben, weil man sich täglich einmal abtöten muß, aber die Magd hat zu mir gesagt, daß sie ein Knack ist und sparen will.
    Vor dem Bettgehen habe ich Gewissenserforschung treiben müssen; da habe ich den Beichtspiegel vorgelesen, und der Onkel Pepi und die Tante haben alles erklärt. Der Onkel Pepi ist ganz heilig. Er ist Sekretär am Gericht, aber er sagt oft, daß er ein Pfarrer hat werden wollen, aber weil er kein Geld hatte, ist er mit dem Studieren nicht fertig geworden.
    Wie er einmal mit der Tante recht gestritten hat, da hat die Tante gesagt, daß er zu dumm war für das Gymnasium. Der Falkenberg mag ihn gerne, weil er alle Tage in die Kirche geht und ihm alles sagt, was die Leute im Wirtshaus reden.
    Meine Mutter hat ihm geschrieben, daß er mich unterstützt und belehrt für die heilige Handlung, damit ich so fromm werde wie er.
    Das hat ihn gefreut, und er ist alle Tage bis neun Uhr dageblieben und hat gepredigt. Dann ist er in das Wirtshaus gegangen.
    Einmal hat er aus einem Buche vorgelesen, daß man täglich sein Gewissen erforschen muß und es machen soll wie der heilige Ignatius.
    Er hat alle Sünden in ein Büchlein geschrieben und es unter sein Kopfkissen gesteckt.
    Das habe ich auch getan; aber da habe ich es vergessen, und wie ich aus der Klasse heimkam, hat mich der Onkel Pepi gerufen und gesagt: »Du hast voriges Jahr aus meiner Hosentasche zwei Mark gestohlen.« Da habe ich gemerkt, daß er meine Gewissenserforschung gelesen hat, aber es waren bloß sechzig Pfennig.
    Die Tante hat gesagt, weil es ein Beichtgeheimnis ist, darf man es meiner Mutter nicht schreiben.
    Da war ich froh. Nach dem Essen hat der Onkel das Seelenbad vorgelesen, wo eine Geschichte darin stand vom heiligen Antonius. Zu dem ist ein Mann gekommen, der viele Sünden hatte, und hat beichten wollen. Der Heilige hat ihm angeschafft, daß er seine Sünden aufschreibt, und das tat der Mann.
    Wie er dann seine Sünden gelesen hat, ist jedesmal eine Sünde, die er reumütig gebeichtet hat, von unsichtbarer Hand ausgelöscht worden.
    Der Onkel hat die Geschichte zweimal vorgelesen, und dann hat er zur Tante gesagt:
    »Liebe Fanny, es ist auch für uns eine Lehre in diesem wunderbaren Vorfalle. Wenn Gott die Sünden verzeiht, müssen wir dem Beispiele folgen.«
    »Aber seine Mutter muß es ersetzen,« sagte die Tante.
    »Natürlich,« sagte der Onkel, »das ist notwendig wegen der Gerechtigkeit.«
    »Und du sollst nicht so viel Geld in den Hosensack stecken,« sagte die Tante, »warum nimmst du so viel in das Wirtshaus mit? Drei Glas Bier sind genug für dich, das macht sechsunddreißig Pfennig, aber natürlich, ihr müßt ja der Kellnerin ein Trinkgeld geben, als wenn du etwas zum Verschenken hättest mit deinem Gehalt.«
    »Das gehört nicht hierher,« sagte der Onkel, »was soll der Bursche denken, wenn du seine Aufmerksamkeit ablenkst.«
    »Er wird denken, daß er dir noch mehr stiehlt, wenn du soviel Geld in den Hosensack steckst,« sagte die Tante. »Wer weiß, wieviel er schon genommen hat. Du natürlich weißt es nicht, weil du ja nicht acht gibst, als hättest du den Gehalt von einem Präsidenten.«
    »Ich habe bloß einmal die sechzig Pfennig genommen,« sagte ich.
    »Es waren wenigstens zwei Mark,« sagte der Onkel, »aber ich verzeihe dir, wenn du es aufrichtig bereust und gegen diesen Fehler ankämpfen willst. Du mußt den heiligen Vorsatz fassen, daß du es nie mehr tust und die Versuchung meidest und meinen Hosensack nie mehr aussuchst.«
    Ich war furchtbar zornig, aber ich durfte es nicht merken
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher