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Lauf, wenn es dunkel wird

Lauf, wenn es dunkel wird

Titel: Lauf, wenn es dunkel wird
Autoren: April Henry
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er, obwohl er sich das Ganze gut vorstellen konnte, obwohl er es deutlicher vor sich sah als TJ und Jimbo. Er versuchte hochzukommen, er musste aufstehen, fiel dann aber mit einem Schrei zurück. Seine Mutter war tot?
    »Schau ihn dir an«, sagte Jimbo flach und ohne jegliche Betonung, wie mit der Stimme eines Hypnotiseurs. »Was glaubst du, wie lange er durchhält, wenn wir ihn hierlassen? Ich mein, schau ihn dir doch an.«
    TJ drehte sich zu ihm, und die beiden Männer betrachteten Griffin so ruhig, als wäre er etwas, das sie am Straßenrand gefunden hatten, und als wäre er gar nicht da. »Seine Haut sieht irgendwie schon blau aus. Wir erzählen Roy einfach, dass wir ihn nirgends gesehen haben, und lassen der Natur ihren Lauf. Dann wissen wir wenigstens, dass er niemandem was von dem Geld erzählt.«
    TJ legte den Kopf zur Seite. »Aber was ist mit Roy?«
    »Das ist nicht unser Problem, Blödmann«, sagte Jimbo. »Wenn er wirklich in den Wald rauswill und nachschaut, ist es eben so. Wir sind dann schon lange weg.«
    »Du willst ihn einfach erfrieren lassen?« TJ hatte wohl langsam kapiert, was Jimbo da vorschlug.
    »Ist er doch eh schon halb«, sagte Jimbo ruhig. »Warum sollen wir uns da noch einmischen?«
    Griffin dachte, dass es nicht mehr viel schlimmer kommen konnte, aber ihm gefror das Blut in den Adern, als er TJs nächste Worte hörte.
    »Mensch, wenn er mein Hund wäre, würde ich ihn erschießen.« Er zielte mit seiner Waffe genau auf Griffins Bauch.
    Griffin rührte sich nicht.
    Jimbo stieß den Pistolenlauf zur Seite. »Bist du bescheuert? Wenn du das machst, wollen sie wissen, wer ihn erschossen hat. Wenn wir ihn so lassen, ist klar, was passiert ist. Er ist mit dem Fuß in einem Loch hängen geblieben, hat seinen Knöchel gebrochen und dann ist er gestorben. Ende der Geschichte. Keiner stellt Fragen und keiner hat Schwierigkeiten.«
    »Ich bin nicht bescheuert. Wir begraben ihn natürlich hier draußen. Ich hab es satt, dass du mich immer bescheuert nennst.«
    Griffin schloss seine Hand um einen faustgroßen Stein. Es war lächerlich – als würde man mit einer Steinschleuder gegen eine Panzerfaust kämpfen -, aber er würde nicht einfach auf dem eiskalten Boden auf dem Rücken liegen bleiben und sterben.
    »Ich hab dir gesagt«, wiederholte TJ, als Jimbo nicht antwortete, »dass du mich nicht bescheuert nennen sollst.«
    »Wieso nicht? Stimmt doch.« Jimbo zuckte mit den Schultern. »Du bist bescheuert. Ihn begraben macht viel zu viel Arbeit. Aber das ist mal wieder typisch, du denkst Sachen nie zu Ende.«
    Dann hörte man einen Schuss. Und Griffins Herz stand still.
    Aber es war Jimbo, der auf den Kiefernnadeln zusammenbrach.
    »Da hast du‘s«, sagte TJ. »Wer ist denn jetzt bescheuert? Wer ist denn jetzt bescheuert, Jimbo?« Er atmete schwer.
    In Griffins Ohren klingelte es. Er rührte sich nicht. Er war schon tot. Es war nur eine Frage der Zeit, bis TJ es Wirklichkeit werden ließ.
    Aber dann ließ TJ seine Pistole fallen, lehnte sich nach vorne und stützte die Hände auf seine Knie. Erbrochenes spritzte auf die Kiefernnadeln.
    Griffin warf einen Blick auf Jimbo und wünschte sogleich, er hätte es bleiben lassen. Er legte den Kopf ein wenig anders, damit er die Leiche nicht aus Versehen noch mal sah.
    TJ richtete sich auf und wischte sich über den Mund. »Ich hab das noch nie gemacht«, sagte er. »Es ist anders, als man denkt.«
    Griffin hatte Angst, ihm in die Augen zu schauen. Als er es endlich doch tat, sah er, dass TJs Pupillen viel zu groß waren. Sein Gesicht sah so aus, als würde er gleich lachen oder weinen - oder beides.
    »Tja«, sagte TJ, »einen Vorteil hat es ja. Jimbo hält endlich, endlich mal die Klappe.« Er lachte schrill. Es klang, als würde Glas brechen.
    Griffin hörte, wie TJ zur Leiche ging, aber er wollte noch immer nicht hinsehen. Jimbo lag auf der Seite. Er hörte wie TJ ihm den Rucksack abnahm.
    TJ kam in seine Blickrichtung zurück. »Die Hälfte gehört dir«, sagte er und hob abschätzend den Rucksack hoch.
    »Schon in Ordnung. Ich brauch keins.«
    TJ machte den Reißverschluss auf. Es war lange ruhig. »Es ist nass. Warum ist das ganze Geld nass?« Seine Stimme kippte nach oben. Er fasste hinein, nahm eine Handvoll Scheine und zog sie raus. Der Schnee wurde von roten Tropfen gesprenkelt. »Das ist Blut. Oh Gott, das ist Blut!«
    Er ließ das Geld fallen und dann den Rucksack. Ein Geldschein segelte nach unten und landete auf Griffins Hand. Es sah aus, als
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