Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lauf, wenn du kannst

Lauf, wenn du kannst

Titel: Lauf, wenn du kannst
Autoren: Lisa Gardner
Vom Netzwerk:
Balkon ist gleich gegenüber von dem der Gagnons. Bestimmt sind Sie ein Scharfschütze. Oooh. Darf ich Ihnen etwas anbieten?«
    »Ich will nur in die oberste Etage. Und zwar schnell.«
    Der Mann wollte Bobby unbedingt einen Gefallen tun. Er hieße George Harlow und sei Unternehmensberater, erklärte er seinem Besucher, als er ihn rasch die geschwungene Haupttreppe hinaufführte. Normalerweise sei er fast immer unterwegs. Reines Pech, dass er ausgerechnet heute Abend zu Hause gewesen sei, um Bobby die Tür zu öffnen. Sein Haus sei zwar kleiner und nicht so elegant wie die anderen, aber dafür gehöre ihm das gesamte Gebäude. Seine Nachbarn, die nur Eigentumswohnungen besäßen, grübelten wie die Besessenen darüber nach, was dieses Einfamilienhaus wohl wert sei. Erst im letzten Monat habe ein Einfamilien-Stadthaus in Back Bay für fast zehn Millionen Dollar den Besitzer gewechselt. Zehn Millionen! Tja, also habe Georges Vater, dieser Versager, ihm doch noch etwas Ordentliches vererbt. Auch wenn die Grundsteuern einen an den Rand des Ruins trieben.
    Ob George wohl das Gewehr des Polizisten anfassen dürfe?
    Bobby lehnte ab.
    Schließlich hatten sie das Schlafzimmer erreicht. Der riesige Raum enthielt kaum Möbel, geschweige denn Bilder an den Wänden. Offenbar reiste der Mann wirklich viel, denn Bobby hatte schon Hotelzimmer mit mehr persönlicher Ausstrahlung gesehen. Die Fassade war verglast. In der Mitte befand sich eine Schiebetür. Ausgezeichnet.
    »Licht aus«, befahl er.
    Mr Harlow kicherte fast, als er gehorchte.
    »Haben Sie einen Tisch für mich? Nichts Wertvolles. Und einen Stuhl.«
    Mr Harlow besaß einen Kartentisch. Bobby stellte ihn auf, während sein Gastgeber einen Klappstuhl aus Metall zutage förderte.
    Bobbys Atem ging schneller. Lag das am Treppensteigen? Oder an der leider sehr aufregenden Nacht, die nun offiziell begann?
    Inzwischen waren seit seinem Eintreffen sechzehn Minuten vergangen. Nicht schlecht, aber auch nicht unbedingt Bestzeit. Mittlerweile waren sicher schon weitere Kollegen hier. Der Radius wurde genau abgesteckt. Bald würde jemand erscheinen, der ihm dabei half, Ausschau zu halten, denn vier Augen sahen mehr als zwei. Dann mussten sie nur noch auf das Verhandlungsteam warten, das Kontakt mit dem Geiselnehmer aufnahm. Bobby baute sein Sig Sauer auf dem Tisch auf und öffnete die Schiebetür ein kleines Stück, damit die Mündung seines Gewehrs hindurchpasste. Anschließend setzte er sich auf Mr Harlows Metallstuhl, schaltete das an seiner Schutzweste befestigte Funkgerät ein, und begann, in den Sender/Empfänger zu sprechen, der in seinem Ohr steckte und auf die Bewegungen seines Kiefers reagierte.
    »Scharfschütze eins meldet sich zum Dienst.«
    »Sprechen Sie, Scharfschütze eins«, antwortete Lieutenant Jachrimo.
    Bobby spähte durch das Zielfernrohr und lernte nun endlich die Gagnons kennen.

3
     
    Ich sehe den Rücken einer weißen männlichen Person, ungefähr einen Meter achtzig groß, kurzes braunes Haar, dunkelblaues Hemd. Er steht etwa einen Meter zwanzig entfernt von einer Balkontür an der Vorderseite des Gebäudes, die ich als Seite A, dritter Stock, bezeichnen werde. Die Balkontüren haben eine Breite von schätzungsweise einem Meter, gehen nach außen auf und sind die dritte Öffnung in dieser Etage. Die erste Öffnung ist ein doppelflügliges Fenster, etwa fünfundsiebzig Zentimeter breit und zwei Meter hoch. Öffnung vier, Seite A, dritter Stock, ist ein weiteres doppelflügliges Fenster, circa sechzig Zentimeter breit, zwei Meter hoch.« Während Bobby die dritte Etage der Gagnons in allen Einzelheiten schilderte, behielt er die einsame männliche Person im Auge. Der Mann rührte sich nicht. Beobachtete er jemanden oder suchte er etwas? Da er beide Hände vor dem Leib hielt, konnte Bobby nicht sehen, ob er tatsächlich bewaffnet war.
    Mit seinem Fernglas hielt er Ausschau nach der Frau und dem Kind, entdeckte aber nichts.
    Bei dem Raum handelte es sich offenbar um ein Schlafzimmer mit einem breiten Doppelbett, das mitten im Zimmer und parallel zur Balkontür stand. Es war ein kunstvoll gestaltetes Möbel aus Schmiedeeisen und mit meterweise weißem Tüll drapiert. Hinter dem Bett bemerkte Bobby eine Reihe weiß lackierter Klapptüren. Vermutlich ein Wandschrank. Links davon befand sich eine Nische, offenbar mit einer weiteren Tür. Elternbad? Sitzecke? Das Zimmer war groß und bot viele Möglichkeiten, sich zu verstecken. Alles also, um das Leben interessant
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher