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Lauf, wenn du kannst

Lauf, wenn du kannst

Titel: Lauf, wenn du kannst
Autoren: Lisa Gardner
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Metern galt. Allerdings liefen Soldaten auch in grünen Kampfanzügen herum und durften durch Sümpfe robben. Bei Bobby ging es nur selten so aufregend zu.
    Kurz überlegte Bobby, ob er ein Nachtsichtgerät mitnehmen sollte, verzichtete aber darauf, da die Gegend so hell erleuchtet war wie beim Feuerwerk am 4. Juli.
    Also blieb nur noch die Munition. Er entschied sich für zwei verschiedene Sorten: Federal Match Grade .308 Remington 168-Grain-Patronen und Federal Match Grade .308 Remington 165-Grain-Spitzgeschosse. Die 168-Grain-Patronen waren Standardausrüstung, während sich die 165-Grain-Geschosse besser zum Durchschießen von Glasscheiben eigneten. Angesichts dessen, dass die Nacht kalt und das fragliche Haus dicht verrammelt war, würde er mit einem Spitzgeschoss in der Kammer anfangen. Wer nur einen Schuss frei hatte, durfte sich nicht auf Experimente einlassen.
    Anschließend verstaute Bobby drei Wasserflaschen, zwei Energieriegel, eine Gürteltasche, das Fernglas und einen Entfernungsmesser in seinem Rucksack, klappte den Kofferraum zu und drehte sich rasch zur Straße um. Nun hatte er alles beisammen. Er musste nur noch die richtige Position finden.
    Back Bay war ein altes und wohlhabendes Viertel von Boston. Die hohen, schmalen Backsteingebäude wurden von Torbögen aus Granit, schmiedeeisernen Balkonen und gewaltigen Panoramafenstern geziert. Die großen, prachtvollen Bäume, die im Sommer angenehmen Schatten spendeten, ragten wie Skelette in den Himmel und wölbten ihre kahlen Zweige über Luxusautos der Marken BMW, Saab und Mercedes. Im Schein der Polizeiflutlichter sah man, wie sich blattloser Efeu, grauen Adern gleich, die Backsteinmauern hinaufrankte und sich liebevoll um kunstvoll verschnörkelte Fensterrahmen schmiegte. Es war eine wunderschöne Häuserzeile, prächtig, ein wenig abweisend und von dezenter Eleganz.
    Und wenn Bobby sich sein ganzes Leben lang krumm geschuftet hätte, sein Geld hätte trotzdem nicht gereicht, um in dieser Straße auch nur zu parken, geschweige denn, um hier zu wohnen. Komisch, dass manche Leute scheinbar derart vom Glück verwöhnt waren und trotzdem eine Schraube locker hatten.
    Er kam zu dem Schluss, dass die Entfernung zum Problem werden konnte. Die Backsteinhäuser standen Seite an Seite in der nur knapp fünfzig Meter langen Straße. Auch den Winkel durfte Bobby nicht außer Acht lassen. Wenn dieser nämlich fünfundvierzig Grad überstieg, beeinträchtigte das die Treffsicherheit. Das fragliche Gebäude war offenbar vier Stockwerke hoch und verfügte außerdem über eine Souterrainwohnung. Allerdings hatte der Einsatzleiter erklärt, die vierte Etage sei zum Großteil entfernt worden, um dem Schlafzimmer im dritten Stock eine doppelt hohe Decke einzuziehen.
    Die Beschreibung deckte sich mit dem, was Bobby nun sah – grelle Lichter im dritten Stock, wo sich ein Balkon mit einem kunstvoll gestalteten schmiedeeisernen Gitter befand.
    Er überquerte die Straße, um bessere Sicht zu haben. Die Abstände zwischen den Stäben des Balkongeländers betrugen etwa zehn Zentimeter. Kein Problem, denn schließlich trainierte er jeden Monat, um auf drei Zentimeter genau zu treffen. Nur der Winkel bereitete ihm weiter Kopfzerbrechen. In einer geraden Linie durch eine zehn Zentimeter breite Lücke zu schießen, war ein Kinderspiel, doch aus einem Aufwärts- oder Abwärtswinkel von mehr als dreißig Grad konnte es kritisch werden.
    Bobby kam zu dem Schluss, dass er sich eine erhöhte Position suchen musste.
    Er betrachtete das dreistöckige Gebäude unmittelbar gegenüber vom Haus der Gagnons, und kurz darauf klopfte er lautstark an die Tür. Obwohl Lieutenant Jachrimo ihm erklärt hatte, das Haus sei bereits von uniformierten Kollegen geräumt worden, war Bobby nicht überrascht, als ein munter dreinblickender älterer Herr in einem dunkelgrünen Morgenmantel die alte Holztür aufriss. Ihn erstaunte immer wieder aufs Neue, wie viele Leute sich weigerten, ihre Häuser im Stich zu lassen, selbst wenn diese von schwer bewaffneten Männern umzingelt waren.
    »Hallo«, sagte der Mann. »Sind Sie Polizist? Ich habe Ihrem Kollegen nämlich schon mitgeteilt, dass ich nicht gehen werde.«
    »Ich muss in die oberste Etage«, erwiderte Bobby.
    »Ist das ein Gewehr?«
    »Sir, es handelt sich hier um einen Polizeieinsatz. Ich muss in die oberste Etage.«
    »Einverstanden. Ganz oben befindet sich das Schlafzimmer. Oooh.« Die Augen des Mannes weiteten sich. »Jetzt verstehe ich. Mein
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